Zwergenfluch: Roman
einer geistigen Einheit zusammenschließen. Damit dürfte dem Dunkelturm eine besondere Bedeutung in dem bevorstehenden Krieg zukommen.«
»Dunkelelben?«, hakte Warlon nach.
»Ein Begriff, den Burian geprägt hat, aber er ist wohl recht zutreffend. Wir wissen inzwischen, mit was für Wesen wir es zu tun haben und woher sie kommen«, erklärte Selon und fasste mit wenigen Worten zusammen, was sie herausgefunden hatten.
»Bei Li’thil, demnach war wirklich ich es, der diesen Elbennachkömmlingen den Weg in die Freiheit geebnet hat, als ich die Wand einschlagen ließ«, stieß Warlon erschüttert hervor. »Ich allein trage die Schuld an allem, was seither passiert ist.«
»Niemand macht Euch einen Vorwurf«, widersprach Loton. »Ihr habt nur getan, was man Euch aufgetragen hat. Niemand konnte ahnen, welche Folgen dies haben würde. Hättet Ihr die Wand nicht niedergerissen, so wäre es wenig später während der Schürfarbeiten passiert. Ihr dürft Euer Gewissen nicht damit belasten.«
»Das sagt sich so leicht«, murmelte Warlon.
In diesem Moment betrat ein Diener aus den Privatgemächern des Königs den Thronsaal.
»Da er die Unterstützung aller Kasten verloren hat, hat sich König Burian entschieden, ehrenvoll abzudanken und sein Amt zur Verfügung zu stellen«, verkündete er salbungsvoll und überreichte Selon ein zusammengerolltes Schriftstück, die Abdankungsurkunde, die der alte Schriftmeister zuvor selbst aufgesetzt hatte.
»Sie ist ordnungsgemäß unterschrieben«, erklärte er, nachdem er das Dokument aufgerollt und überflogen hatte. »Damit ist es offiziell: Wir sind ein Volk ohne Herrscher. Am Hohen Rat liegt es nun, einen neuen König zu bestimmen. Möchte jemand einen Vorschlag machen?«
Niemand äußerte sich. Barlok warf einen Blick zu Tharlia. Sie versuchte sich gelassen zu geben, aber die Art, wie sie ihre Hände knetete, verriet, wie nervös sie in Wirklichkeit war.
»Wenn niemand sonst einen Vorschlag unterbreiten möchte, werde ich selbst den Anfang machen«, fuhr Selon fort, als nach fast einer Minute noch niemand das Wort ergriffen
hatte. »Ich schlage hiermit Tharlia aus dem Hause Lius, Hohepriesterin der Li’thil und für die Gelehrtenkaste Mitglied dieses Rates vor.«
Der Einzige, der davon überrascht wurde, war Artok, allerdings wirkte der Schürfmeister eher belustigt als erschrocken. Barlok nickte den beiden Ratsmitgliedern der Kriegerkaste kaum merklich zu.
»Ich unterstütze den Vorschlag«, erklärte Loton. »Dasselbe gilt für mich«, sagte Sutis, wenn auch zögernd.
Einige Sekunden herrschte Stille, dann räusperte sich Schürfmeister Torgan.
»Da sich die Krieger- und die Gelehrtenkaste einig sind, bin auch ich bereit, Tharlia meine Unterstützung zu gewähren«, verkündete er.
Alle Blicke richteten sich auf Artok. Die Belustigung war aus seinem Gesicht gewichen. Fassungslos blickte er sich um.
»Das … Das kann nicht wahr sein«, stieß er hervor, offenbar noch zu schockiert, um zu ahnen, dass er als Einziger nicht vorab informiert worden war. »Eine Hexe auf dem Königsthron? Niemals gebe ich dafür meine Zustimmung!«
»Bitte erlaubt mir, etwas dazu zu sagen«, ergriff Tharlia das Wort. »Das in mich gesetzte Vertrauen ehrt mich, und sollte der ehrenwerte Schürfmeister Artok sich noch umstimmen lassen, bin ich bereit, der Berufung in das höchste Amt Elan-Dhors zu folgen. Allerdings möchte ich auf die damit verbundenen Einschränkungen hinweisen. Ein König oder eine Königin verliert alle bisherigen Titel, Ämter und sogar die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kaste. Ich müsste als Hohepriesterin zurücktreten und dem Orden
Li’thils entsagen. Meine bisherige Zugehörigkeit zum Dunkelturm sollte also kein Argument sein, mir die Unterstützung zu verweigern.«
»Das Volk wird solche Unterscheidungen nicht machen«, ereiferte sich Artok, kurz davor, von seinem Platz aufzuspringen. »Es wird die Wahl einer Hexe oder auch ehemaligen Hexe niemals akzeptieren.«
»Doch, das wird es«, behauptete Sutis. »Zumindest dann, wenn wir uns einstimmig für Tharlia entscheiden, und genau darauf kommt es an. Ich habe mir meine Entscheidung nicht leicht gemacht, und den Ausschlag gab erst der Bericht Warlons. Im bevorstehenden Krieg werden wir dringender denn je auf die uneingeschränkte Unterstützung des Dunkelturms angewiesen sein. Vor allem aber ist die Gefahr so immens, dass wir uns unter keinen Umständen Rangeleien um die Nachfolge erlauben können. Wir
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