Zwergenkinder, Band 02 - Bekker, A: Zwergenkinder, Band 02
denn wir gehen sehr bald auf eine lange Reise.«
Er sagte das, als wäre es beschlossene Sache.
Dass der Zaubermeister Entscheidungen traf, ohne sie mit ihm abzusprechen oder ihn zumindest darüber zu informieren, ärgerte Tomli nicht zum ersten Mal. Aber was sollte er machen? Saradul war schließlich sein Meister und er selbst nur der Schüler, der überdies froh sein musste, dass Saradul ihn versorgte und sich um ihn kümmerte.
»Es wäre schön, wenn Ihr uns frühzeitig in Eure Überlegungen mit einbeziehen würdet, Meister Saradul«, bat Lirandil, »nicht erst dann, wenn schon alles entschieden ist und es vielleicht keine andere Möglichkeit mehr gibt.«
»Verzeiht mir, werter Lirandil«, entgegnete Saradul. »Ich treffe meine Entscheidungen nach rein logischen Maßstäben, und ich denke nicht, dass es bessere Alternativen gäbe. Abgesehen davon möchte ich auch nicht immer erst ein paar Jahrtausende warten, bis ihr Elben euch für oder gegen eine Sache entschieden habt. Das Leben aller anderen Geschöpfe in Rhagardan und dem Zwischenland läuft nämlich in einer sehr viel schnelleren Geschwindigkeit ab, als ihr es wahrnehmt, um es mal vorsichtig auszudrücken.«
»Ihr übertreibt, Saradul!«, mischte sich Olfalas ein, was ihm einen sehr missbilligenden Blick von Saradul einbrachte. »Fährtensucher Lirandil und ich haben über lange Zeit hinweg unter Menschen, Halblingen, Zentauren und anderen Geschöpfen gelebt. Uns ist sehr wohl bewusst, dass ihr Empfinden der Zeit anders ist als das der Elben!«
Eine Zornesfalte entstand auf der Stirn des Zaubermeisters. Ohne Olfalas weiter zu beachten, wandte sich Saradul an Lirandil: »Darf Euer Schüler so mit Euch reden, Lirandil?«
»Hängt die Wahrheit davon ab, wer sie ausspricht?«, antwortete der Elb mit einer Gegenfrage. »Ich kann meinem Schüler in diesem Fall nur zustimmen.«
»Aber …“
Noch nie hatte Tomli erlebt, dass Saradul sprachlos war. Diesen Moment wollte er gut im Gedächtnis behalten.
»Ich schlage vor, dass wir über die Reise sprechen, die Ihr offenbar geplant habt«, sagte Lirandil.
»Also gut.« Saradul seufzte. »Ubraks Amulett ist hier nicht mehr sicher. Wir müssen es – ebenso wie die anderen Gegenstände, die wir nach und nach zusammentragen – an einem sicheren Ort aufbewahren, bis wir es schließlich einsetzen können.«
»Und Ihr kennt einen solchen Ort?«
»Ja, und glücklicherweise liegt das Versteck auf dem Weg zu einem anderen Ziel, das wir dringend erreichen müssen.«
»Wohin soll es gehen?«, fragte Tomli.
»In ein Land, das Cosanien genannt wird«, sagte Saradul.
Er schlug eine der Platten aus magischem Rostgold in Heblons Buch um. Es ächzte und quietschte leise. Die Platten sahen aus wie rostiges Eisen, aber das entsprach nicht der Wirklichkeit. Ein Zauber tarnte das schimmernde Zwergengold, aus dem sie eigentlich gefertigt waren.
Immer neue Texte erschienen auf den Seiten. Manchmal tauchten auch Abbildungen auf, und bei einer sorgte eine Berührung von Saraduls Fingerspitzen zusammen mit einer kurzen Zauberformel dafür, dass sie bestehen blieb und nicht sogleich wieder verschwand.
Es war eine Axt, und Tomli wusste mittlerweile, was es mit ihr auf sich hatte.
»Ubraks Zauberaxt!«, entfuhr es ihm. Gebannt betrachtete Tomli die Abbildung.
Ihre Schneide war aus Dunkelmetall geschmiedet, und sie gehörte zu den Gegenständen, die Ubrak einst benutzt hatte, als er die Höhlenkröte Malawandra hatte zähmen wollen. Dabei war ihm jenes schreckliche Missgeschick unterlaufen, das den Weltenriss hatte entstehen lassen.
»Ein Zwerg und Schatzsucher namens Uroggi bewahrte diese Axt lange in seiner Wohnhöhle in der Oberstadt auf«, sagte Saradul. »Wie genau er in deren Besitz gelangte, ist nicht überliefert. Er war verarmt und konnte sich keine Wohnhöhle in der Tiefenstadt oder gar der Untertiefenstadt leisten. Andere Berichte besagen allerdings, dass er so hoch oben in der Zwergenstadt wohnte, weil zu jener Zeit bereits viele Menschen aus dem Volk der Rhagar hier in Ara-Duun lebten und er eine Menschenfrau geheiratet hatte, die das Licht liebte und eine Wohnhöhle mit vielen Fenstern haben wollte. Damals gab es in dieser Gegend auch noch Greife.«
Geschichten von mächtigen Greifen und ihren Kämpfen untereinander gehörten zu den Lieblingsthemen der Geschichtenerzähler in den Marktgewölben von Ara-Duun. Tomli hatte ihnen oft fasziniert zugehört, wenn sie von diesen majestätischen Wesen berichteten, die wie
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