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Zwergensturm

Zwergensturm

Titel: Zwergensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Mueller-Hammerschmidt
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jemand anderes uns lenken würde. Wir sind Sklaven im eigenen Land, und keiner lehnt sich auf. Wir träumen nicht mehr, wir lieben nicht, wir leben vor uns hin und ergeben uns in Nichtigkeiten. Kein Stolz, keine Ehre. Dabei seid ihr so stark!“ Er drückte Haggys Unterarm, als ihn plötzlich ein Hustenanfall schüttelte. Haggy half ihm, sich hinzusetzen, und stützte seinen Rücken.
    „Danke“, keuchte Wily. „Du kennst meine Meinung zur Lage hier im Land. Es tut mir weh, wenn solche guten Leute wir ihr hier, ihr alle“, er beschrieb einen großen Kreis, „unter Fremdherrschaft groß werden und leben müss en. Ich weiß nicht, wie die Dunkelelfen das gemacht haben, aber jeglicher Widerstand ist erloschen. Nicht, dass es jemals erwähnenswerten Widerstand gegeben hätte.“ „Mein Vater hat früher mal hin und wieder vom Krieg erzählt. Aber nicht viel.“ „Dein Vater war auch einer der Wenigen, die sich dem Kampf gestellt haben. Er war aber auch schlau genug zu wissen, ab wann es hoffnungslos war. Die Dunkelelfen waren überall. Es waren nie viele an einem Ort, aber sie kamen aus dem Schatten. Mit ihren verdammten Bögen konnten sie einen erledigen, bevor man sie überhaupt zu Gesicht bekam.“ „Und dann haben die Völker kapituliert“, warf Otto ein. „Na, richtig kapituliert haben sie nicht. Der Widerstand ist einfach eingeschlafen. Keiner hatte Lust, sich von einem auflauernden Dunkelelfen einen Pfeil in die Birne ballern zu lassen. So haben sich die wenigen militärischen Verbände, die es gab, schnell aufgelöst. Haggys Vater hier hatte einen Riecher für die Bohnenstangen, es war, als ob er sie im Schatten sehen konnte. So verabreichte er manchem von ihnen deren eigene Medizin. Früher jagte er Schweine, danach Dunkelelfen. Aber was kann ein einzelner Mann schon ausrichten?“
    „Wie viele Dunkelelfen gibt es eigentlich?“ Zahrin dachte nach. „Viele sieht man ja nicht, ich kann mich gar nicht erinnern, mal mehr als zwei von ihnen auf einem Haufen gesehen zu haben.“ „Oh doch, es gibt mehr“, antwortete Wily. „Direkt zu Beginn der Besatzung marschierten sie in Dutzenden durch die Städte, um ihre Überlegenheit zu demonstrieren. Danach war das nicht mehr nötig.“ Wieder erschütterte ein Hustenanfall den alten Mann. Als er sich wieder beruhigt hatte, fuhr Haggy fort: „Manchmal frage ich mich schon, ob es nun ewig so weitergehen wird. Ich meine, ich bin ein Zwerg, ich bin noch jung und habe noch einige Hundert Jahre vor mir. Werde ich … werden wir die ganze Zeit unter der Besatzung leben? Zahrin hier und Otto“, er zeigte auf seine Freunde, „werden nicht so lange leben. Ihr habt schon einen großen Teil eurer Lebenszeit hinter euch.“ „Ja“, pflichtete ihm Wily bei, „wenn sich nichts ändert, werden zumindest die beiden … und Dieba, du auch, nichts anderes erleben. Es sei denn, ihr entkommt dem Besetzten Land irgendwie. Mit einem Händler zum Beispiel.“ „Ich wüsste gar nicht, ob ich hier wegwollte“, erwiderte Otto. „Ich kenne ja nichts anderes. Und die Kinder im Waisenhaus würden mir fehlen.“
    Der nächste Hustenanfall war stärker als alle anderen davor. Wily krümmte sich, er spie Schleim aus. Der Husten wurde so stark, dass er Atemnot bekam und panisch nach Luft schnappte. Er versuchte, sich noch ein einziges Mal zusammenzureißen. Ihm war klar, dass sein Ende nahte.
    Wilys Stimme drohte zu versagen. Er setzte sich wieder auf und ergriff mit beiden Händen Haggys Kopf. Krächzend-flüsternd sagte er zu ihm: „Haggy, alter Tor, schau unter mein Bett. Dort steht eine alte Kiste.“ Da er jedoch Haggys Kopf nicht losließ, eilte Zahrin herbei, bückte sich, blickte unter das Bett und sah tatsächlich eine alte Eisenkiste. Sie ergriff sie und stellte auf Wilys Bett. „Öffne sie!“, keuchte Wily. Zahrin tat es. Sie klappte den Deckel hoch. In der Kiste lag nichts als ein kleines Stück Pergament, kaum größer als ihre Handfläche. Sie nahm es an sich und drehte es um. Es befand sich eine Zeichnung auf der Rückseite.
    Sie betrachte te die Zeichnung kurz. Es handelte sich um das Porträt eines jungen Zwerges, den sie auf vielleicht drei, vier Jahre schätzte. Das Bild war in Schwarz und Weiß gehalten, sodass nicht sonderlich viel zu erkennen war. „Was ist das?“, fragte sie. „Oder genauer … wer ist das?“
    „Das“, Wily hielt Haggys Kopf immer noch fest, „ist der König der Zwerge.“ Zahrins Stirn legte sich in Falten. „Der König der Zwerge?

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