Zwergensturm
sind, setze ich abwechselnd als Wachen am Stadttor und am Hafen ein. Ab und zu laufen mal zwei Leute Patrouille in der Stadt oder begleiten einen der Ausrufer der Zivilverwaltung, aber sonst … Sagen wir es mal so, Militär hat gerade keine Konjunktur.“
Lok’thodar glaubte, einen Schatten der Hoffnungslosigkeit vor seinen Augen wahrzunehmen. Er nickte nacheinander den anderen zu. Aurum meldete elf einsatzbereite Soldaten, Falstrom gar nur acht. Rak’namur sagte, dass das Stadttor manchmal gar nicht mehr besetzt sei.
Die sechzehn Hauptleute aus den ländlichen Garnisonen meldeten Mannstärken zwischen zwei und sechs. Grünleben selbst hatte noch die Königswache aus dreißig Kämpfern. „Alles in allem“, fasste Lok’thodar zusammen, „126 Kämpfer.“ Er ließ sich in seinen Stuhl fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. „126 Kämpfer. Damit halten wir das Orkheer keinen einzigen Tag auf. Keiner von uns wird überleben, und die Völker des Besetzten Landes werden wir nicht beschützen können. Wir waren gut genug, sie auszubeuten, und nun werden wir sie dem Untergang überlassen.“
„Nicht so schnell“, warf Rak’namur grimmig ein. „Wir werden keine 126 Soldaten an die Front führen können, ansonsten wäre das Land komplett entblößt. Ein paar werden zurückbleiben müssen, um die Städte und Dörfer vor Plünderern, Räubern und auch vor umherstreifenden einzelnen Orkgruppen zu schützen. Auch können wir nicht die gesamte Königswache abziehen. Achtzig, maximal hundert, dürfte eine realistischere Annahme sein.“
Gebeugt saß Lok’thodar auf dem Stuhl. Eine Träne lief auf seiner rechten Wange h inunter: „Ich habe sie kämpfen sehen, an den Goldminen. Frauen und Männer, Menschen, Zwerge, Gnome. Ohne Waffen, nur mit ihren Händen und ihrem Willen. Sie haben einige Orks zu Boden gebracht, doch nun sind sie fast alle tot. Wie ihr habe ich einen Eid geleistet, sie zu schützen. Jetzt höre ich jede Nacht ihre Todesschreie in meinen Träumen. Ich sehe ihre entsetzten Gesichter. Einige von ihnen habe ich seit Jahren gekannt. Wir haben nie miteinander gesprochen, doch ich habe gesehen, wie sie aufgewachsen sind, groß wurden, zu richtigen Männern und Frauen. Wie sie für uns gearbeitet haben, ein ganzes Leben lang. Und wie einige am Ende ihrer Tage gestorben sind. Ihr ganzes Leben haben sie uns gedient.“ Er verzog sein Gesicht. „Und zur Belohnung lassen wir sie jetzt abschlachten. Nicht nur sie, sondern ihre ganzen Städte und Dörfer. Ihre kompletten Familien. Bei den Geistern unserer Ahnen − was haben wir getan?“
Ostgrenze des Besetzten Landes, in der Nähe der Goldminen
Siegfried winkte Maria zu , und sie winkte lächelnd zurück. Thomas, ihr Sohn, eilte bereits voran, und Siegfried musste sich beeilen, nachzukommen. Maria hatte das Essen schon vorbereitet, aber es fehlte an etwas Feuerholz. So hatte sie ihren Mann und ihren Sohn losgeschickt, um im nahen Wald ein paar Holzscheite zu besorgen. Maria sah den beiden noch kurz hinterher, drehte sich dann um und betrat das alte Bauernhaus wieder. Sie durchschritt die Stube und kam in die Küche. Die Kartoffeln waren bereits geschält, ein bisschen Grünzeug war gewaschen und die Reste vom Schwein, das sie letzte Woche geschlachtet hatten, lagen auch schon vorbereitet auf einem Brett.
„So was Blödes, da hätte ich auch vorher nach dem Holz sehen können.“ Sie ärgerte sich ein wenig, da sie großen Hunger hatte und sich sicher war, dass es ihren beiden Männern und ihrer kleinen Tochter, die auf den Namen Natalia hörte, auch nicht besser ginge. Freilich ließen es sich die Männer nicht so sehr anmerken wie ihre Tochter. Die Dreijährige quengelte schon länger. „Wenn ich doch wenigstens die Kartoffeln schon mal kochen könnte!“ Maria gab ihr ein Stück einer rohen Kartoffel, an dem die Kleine nagen konnte.
Plötzlich hörte sie von draußen ein lautes, dunkles Lachen. Es klang irgendwie unmenschlich. Vorsichtig ging sie zum Küchenfenster und blickte hinaus. Sie sah nichts. Der Weg, dahinter die Rasenfläche, in einigen Schritten Entfernung schließlich das lichte Waldstück. Sie wandte sich um und blickte in die Küche. Sie war sich jedoch sicher, dass das Lachen aus der Richtung gekommen war. Daher blickte sie nochmals aus dem Fenster. Sie lehnte sich vor, blickte nach rechts, dann nach links. Unmittelbar vor ihrem Angesicht, nur eine Handbreit entfernt, schnellte plötzlich das Gesicht eines grünhäutigen
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