Zwergensturm
erkundigte Haggy sich. Der Wirt schaute nachdenklich auf den Tresen: „Pfarrer waren einst eine Art Bindeglied zwischen den Völkern des Landes und den Göttern. Wir haben mit den Lebewesen zusammen Messen in den Kirchen gefeiert, um die Götter zu ehren.“ „Die Götter?“, frage Zahrin. „Ach ja, d ie kennt ihr ja auch nicht mehr. Ihr seid zu jung.“ Der Wirt setzte sich nun auch auf einen Hocker, einen, der hinter der Theke stand. „Früher einmal, noch vor der Besatzung, haben wir alle, alle Völker des Landes, an die Götter geglaubt. Eigentlich ist es nur einer, aber der erfüllt mehrere Rollen. Er galt uns als Schöpfer der Welt, als Wächter des Lebens, als Überbringer froher Botschaft und als Ansporn für alle, sich selbst und seine Mitbewohner zu achten.“
Jetzt blickten auch die vier Freunde nachdenklich drein. Haggy sagte leise: „Das hört sich doch ganz gut an. Aber warum haben uns diese Götter verlassen?“
Der Wirt verzog einen seiner Mundwinkel. „Die Götter haben uns nicht verlassen. Wir haben die Götter verlassen.“
Er stand wieder auf und räumte die Teller ab. Danach setzte er sich wieder zu der Gruppe und fuhr fort: „Früher, bevor die Dunkelelfen kamen, waren die Kirchen zu jeder Messe voll. Menschen, Zwerge, Elfen und Gnome kamen zuhauf und nahmen teil. Alle feierten zusammen zu Ehren der Götter und der Schöpfung, wir sangen und freuten uns. Dann kamen die Dunkelelfen. Die Elfen zogen sich nach Alastir zurück, und die Lebewesen im Besetzten Land wurden auf Arbeitsstellen im ganzen Land verteilt, wodurch Familien und Dorfgemeinschaften auseinandergerissen wurden. Allein d eshalb kamen weniger Leute zu den Messen. Aber nach und nach, je länger die Besatzung andauerte, kamen noch weniger. Es war, als ob die Leute sich einfach nicht mehr für Götter interessierten. Irgendwann war es so weit, dass ich alleine in der Kirche stand. Schließlich kamen noch die Dunkelelfen und nahmen die Kirchturmglocke mit, damit sie das Metall einschmelzen und für Kunstwerke gebrauchen konnten. Das war das letzte Mal, dass ich zur M esse gerufen habe.“
Tinchena lauschte andächtig: „Ach, dafür waren die Kirchen da! Ich habe mich immer gefragt, was für ein en Zweck sie hatten.“ „Ja“, erwiderte der Wirt. „Früher waren sie voll, heute sind es nur noch Ruinen. So wie wir den Glauben an vieles verloren haben, haben wir auch den Glauben an die Götter verloren.“
Piggy hatte inzwischen auch den zweiten Eimer leer geschlürft und sich lang auf dem Boden ausgestreckt. Er blinzelte zwar, aber seine zuckenden Ohrspitzen verrieten, dass auch er dem Wirt lauschte.
„Nun ja, gute alte Zeiten.“ Der Wirt seufzte. „Und ihr? Was ist das Ziel eurer Reise?“ Haggy erzählte ihm, dass sie den Wunsch eines alten Freundes erfüllen wollten und daher auf dem Weg nach Grünleben seien. Er erklärte dem Wirt auch, dass es sich dabei um einen Zwerg handele. Dass dieser aber der König der Zwerge sein sollte, sparte er vorsichtshalber aus.
Der Wirt bot ihnen Zimmer an, um die Nacht zu verbringen. Sie tratschten noch über die alten Zeiten und ließen sich vom Wirt einige weitere Gaststationen empfehlen, die sie auf der weiteren Reise aufsuchen k onnten, bevor sie müde und satt in die Zimmer gingen. Piggy schlief bei Haggy, Zahrin und Tinchena teilten sich ein Zimmer. Otto zog es vor, etwas mehr zu zahlen und ein Einzelzimmer zu bekommen, anstatt bei Haggy und Piggy die Nacht zu verbringen. Als er in seinem Zimmer angekommen war, sich der Kleidung entledigt hatte und sich auf das Bett legte, hörte er, wie jemand von der anderen Seite laut an die Wand pochte. „Gute Nahaaacht!“, hörte er daraufhin Zahrin rufen. Im Hintergrund hörte er dazu Tinchenas Kichern.
Grünleben, Herrscherpalast
Zufrieden blickte Lok’thodar in die Runde. Sie waren alle gekommen: Rak’namur aus Falstrom, der ehemaligen Hauptstadt des Königreichs der Gnome, Dawaas aus Pruda, Ran’thaman aus Aurum und die anderen Hauptleute, die den Garnisonen in den ländlichen Gebieten vorstanden.
Insgesamt waren es zwanzig. Er, Lok’thodar, war der Einzige unter ihnen, der seine Garnison verloren hatte. Die Stimmung war entsprechend niedergeschlagen. Natürlich waren alle längst über die Ereignisse an den Goldminen informiert gewesen.
Nun stand Lok’thodar am großen Eichentisch im Besprechungsraum auf der ersten Ebene des Herrscherpalastes. Unmittelbar nach der Unterredung mit Maui hatte er Melder ausgesandt, die den
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