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Zwergensturm

Zwergensturm

Titel: Zwergensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Mueller-Hammerschmidt
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Suche fort.

    Haggy zählte nicht mehr mit, wie viele Leute sie nun schon befragt hatten. Es mussten Dutzende gewesen sein. Langsam stellte sich auch bei seinen Freunden Frust ein, einzig Tinchena lief freudig vom einen zum anderen und schwatzte herum. Gerade wollte Haggy den anderen vorschlagen, eine weitere Rast zu machen, als Tinchena ihm in die Hüfte stieß: „Haggy, gib mir das Bild, ich frage mal die da.“ Sie zeigte auf eine alte, grauhaarige Zwergin, die alleine und zügig durch die Straße ging. Haggy gab ihr die Zeichnung, und sie stapfte los. Sie näherte sich der Zwergin von hinten und zog mit Nachdruck an deren Gewand. Die Alte blieb stehen und drehte sich um, als sie grinsend zu Tinchena sprach: „Gemach, gemach, junge Gnomin, zähme dein Ungestüm! Was kann ich für dich tun?“ Tinchena hielt das Bild in der rechten Hand am ausgestreckten Arm und fuchtelte fürchterlich damit herum: „Kennt ihr diesen Zwerg hier?“ Mit einer schnellen Handbewegung ergriff die alte Zwergin Tinchenas Handgelenk und stellte die Hand ruhig, damit sie das Bild in Ruhe betrachten konnte. Haggy sah, wie ihre Augen sich verengten.
    Als die Zwergin das erste Mal blinzelte, hatte sie bereits mehr als eine Minute lang auf das Bild gestarrt. Ihre Augen ließen immer noch nicht von dem Zwerg auf der Zeichnung ab. Tinchena wurde langsam ungeduldig, da ihr Arm mittlerweile schwer wurde. Die Zwergin ließ den Arm los und ihren Blick schweifen: „Ja, ich kenne ihn.“ Haggy erschrak fast: „Seid ihr sicher?“, fragte er skeptisch. „Ja“, nickte die Zwergin. „Ich bin mir sehr sicher. Der Zwerg, den ihr sucht, ist zur Arbeit dem städtischen Steinbruch zugeteilt worden. Ihr findet ihn am nördlichen Stadtrand.“ Es drängte Haggy, die Zwergin zu fragen, woher sie den Zwerg kannte, doch als er in ihr Gesicht sah, sah er davon ab. Ein merkwürdiger, gar mystischer Ausdruck tat sich im Gesicht der Zwergin auf.
    So beließ er es bei einem „Danke“. Als sie sich orientiert hatten und aufmachten, bemerkte er, dass die Zwergin, die es vorher noch so eilig gehabt hatte, wie angewurzelt stehen geblieben war. Auch als sie sich schon weit von ihr entfernt hatten, stand sie immer noch dort. Haggy und seine Freunde hörten nicht mehr, wie die Zwergin ihnen leise „Viel Glück!“ wünschte.
    Jetzt hatten sie es auch eilig. Um sich zu vergewissern, dass das, was die Zwergin gesagt hatte, auch stimmen würde, fragten sie einige Passanten nach dem Steinbruch. Und tatsächlich, alle wiesen ihnen den Weg gen Norden, hin zum Stadtrand. Die Straße, der sie folgten, ähnelte der Hauptstraße, auf der sie das erste Mal in die Stadt gekommen waren. Haggy ahnte, dass je eine Hauptstraße vom Palast aus in jede Himmelsrichtung abgehen würde.
    Auch hier im Norden der Stadt wurde die Bebauung umso einfacher, je weiter sie sich vom Zentrum entfernten. Allerdings gab es in diesen Vierteln mehr Manufaktur en, Steinmetze, Schmieden und ähnliches Handwerk. Man bemerkte die Nähe zum Steinbruch.
    Es war später Nachmittag, als sie die Bebauungsgrenze am Stadtrand erreichten. Danach gab es erst einmal nichts mehr, aber in etwa Hundert Schritten Entfernung sahen sie den Steinbruch. Ganz vorne stand eine Holzhütte, aus deren Schornstein es qualmte. Direkt dahinter begannen die Steinfelder, die sich in die Länge und Breite zogen. Zahlreiche Arbeiter, Haggy erkannte einige Menschen und viel mehr Zwerge, standen mit ihren Spitzhacken überall in den Steinfeldern und schlugen auf den Stein ein. Einige andere Arbeiter fuhren mit kleinen Wägelchen durch den Steinbruch und sammelten ein, was es einzusammeln galt.
    Haggy überlegte, dass es bei so vielen Zwergen eventuell gar nicht so einfach sein würde, den richtigen zu finden. Dennoch näherten sie sich, ein wenig unsicher, dem Steinbruch. Bald erreichten sie die Hütte und sahen sich fragend an. Haggy seufzte, nahm das Bild und klopfte an die Hüttentür. Ein Zwerg von vielleicht fünfzig Jahren öffnete, sah sich die Runde an und bat sie herein. Drinnen war nicht viel. Ein Kamin, in dem das Feuer brannte, das den Qualm produziert hatte, der aus dem Schornstein gestiegen war, ein Tisch mit einem Stuhl, der wohl als Arbeitsplatz diente, sowie eine Sitzgruppe, bestehend aus einigen Stühlen, die um ein Bärenfell herum platziert waren. Dort nahmen sie Platz. Der Zwerg bot ihnen Tee an. Die Freundlichkeit des Empfangs erstaunte Haggy ein wenig, der Zwerg kannte sie ja gar nicht. Aber dann dachte Haggy,

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