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Zwergensturm

Zwergensturm

Titel: Zwergensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Mueller-Hammerschmidt
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können wir Euch alleine sprechen?“
    Der Zwerg verneinte: „Nein. Hört auf, mich mit ‚Euch‘ anzusprechen. Ich bin nicht zwei. Und mit denen hier“, seine Arme beschrieben einen Kreis, der die anderen Zwerge umschloss, „teile ich mein ganzes Leben. Das führt unter anderem dazu, dass wir relativ wenig Geheimnisse voreinander haben.“
    Die Art und Weise, wie der Zwerg sprach, bestärkte Haggy im Glauben, dass Wily womöglich recht hatte.
    Haggy sah den Zwerg, den der Vorarbeiter Duram genannt hatte, an. Er war nur etwas größer als er selbst, hatte langes, schwarzes Haar, das zum Zopf geflochten war. Er war von der Arbeit kräftig, und doch strahlte er etwas aus, etwas … Majestätisches.
    Einer der anderen Zwerge schien von der Ungeduld überwältigt zu werden. Er sprach: „Ich sage, sie sollten jetzt sagen, was sie wollen. Sonst werde ich sie mit meiner Spitzhacke zu Staub verarbeiten!“ Drohend hob er das Werkzeug, das er mit beiden Händen trug. Duram winkte ab und sah Haggy fragend an. Haggy blickte tief in Durams leuchtend blaue Augen, als er sprach: „Du bist der König der Zwerge.“

    Augenblicklich schien alle Spannung von Duram abzufallen. Er ließ die Spitzhacke, die er bisher nicht aus der Hand gelegt hatte, fallen. Seine Schultern hingen herunter, und sein Blick ging Richtung Boden. Der erste der Zwerge, den sie befragt hatten, näherte sich Duram und klopfte ihm auf die Schulter. Duram blickte sich um und ihn an. Der Zwerg hatte immer noch seine Hand auf Durams Schulter und sagte: „Ich hab’s immer geahnt.“ Erst jetzt ließ er ihn los, nahm seine Hacke und machte sich wieder an die Arbeit.
    Duram atmete tief durch und bat Haggy um die Zeichnung, die er danach eingehend studierte.
    „Woher wisst ihr das?“, fragte er Haggy. Haggy sagte, an ihn gewandt: „‚Wissen‘ ist vielleicht zu viel gesagt, aber Wily, unser alter Freund, hat es uns eröffnet, kurz vor seinem Tod.“ „Seht“, antwortete Duram, „ich wusste nichts von meiner Herkunft. Nur diese Träume … Kennt ihr das, wenn man etwas wirklich intensiv träumt und der Traum dann ganz plötzlich erstirbt?“ Alle nickten. Duram fuhr fort: „In diesen Träumen habe ich mich in meiner Kindheit gesehen, wie ich mit meinem Vater und meiner Mutter herumtollte. Und hin und wieder sehe ich meinen Vater, wie er einen langen, roten Mantel trug, der mit weißem Fell verziert war. Und auf seinem Kopf saß eine Krone. Ich sehe ihn als lachenden Mann, als liebenden Vater … Doch dann kommt oft ein Bild auf, in dem ich sein verzweifeltes Gesicht vor mir sehe, direkt vor mir, und er ruft mir etwas zu. Dann fühlt es sich so an, als ob mich einer ergreift und mich von ihm und meiner Mutter wegzerrt. Ich höre dann noch die Schreie und das Schluchzen meiner Eltern, doch spätestens dann hört der Traum auf.“
    Duram sah wieder zu Boden. Nochmals atmete er tief ein und aus. Dann streckte er seinen Rücken durch, und seine Kraft schien zu ihm zurückzukommen. Jetzt legte er die Hand auf Haggys Schulter, sah ihn an und fragte ihn: „Wo nächtigt ihr? Habt ihr ein Quartier? Können wir uns dort unterhalten?“ Haggy nickte und nannte ihm den Namen des Gasthauses in der Erwartung, dass Duram nach der Arbeit zu ihnen kommen würde.
    Doch zu seiner Überraschung nickte Duram seinen Kollegen zu und machte sich daran, die Freunde zu begleiten. „Könnt Ihr denn einfach so weg?“, fragte Zahrin erstaunt. „Wer soll denn schon was sagen?“, antwortete Duram. „Den Vorarbeiter interessiert es nicht, solange der Steinbruch insgesamt sein Soll produziert. Und so lange lässt sich auch kein Dunkelelf blicken. Außerdem“, er lachte, „bin ich ja der König der Zwerge. Und nun hört endlich auf, mich mit ‚Ihr‘, ‚Euch‘ und so weiter anzusprechen!“
    Gemeinsam verließen sie den Steinbruch und gingen Richtung Stadtmitte.

Duradons Heerlager, östlich der Grenze des Besetzten Landes
    Duradon ruhte noch in seinem Zelt. Der Schafbraten, den er gerade verputzt hatte, ermüdete ihn. Schläfrig strich er über seinen Bauch, der damit beschäftigt war, das Schaffleisch und die Knochen zu verdauen.
    Es war ein wohliges Gefühl, doch er wusste, dass seine Krieger bald der Ruhe überdrüssig würden. So wie er auch.
    Gemächlich erhob er sich von seiner Liege, brummte etwas vor sich hin und stand auf. Er legte das Brustteil seiner Kettenrüstung an und streckte den Rücken durch. Dann ging er nach draußen.
    Im Heerlager war es nach wie vor

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