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Zweyer, Jan - Rainer

Zweyer, Jan - Rainer

Titel: Zweyer, Jan - Rainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Geheimnis
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aufgeregte Gesicht von Roswitha Müller, die sich über das Treppengeländer beugte und hinunterschaute. Dann verschwand die Sekretärin wieder, vermutlich, um ihren Chef über die Ursache des Lärms zu informieren.
    Die Arbeiter hatten den ersten Treppenabsatz erreicht, als Lorsow oben auftauchte. Der Firmenchef lehnte sich über das Geländer und rief: »Was soll das? Was machen Sie hier für einen Krawall?«
    Der Helmträger blieb vier Stufen unterhalb des Geschäftsführers stehen und hob die Hand. Das Pfeifen erstarb augenblicklich.
    »Also«, wiederholte Lorsow seine Frage. »Was soll dieser Aufmarsch hier?«
    »Das, was Sie Aufmarsch nennen«, sagte sein Kontrahent gedehnt und sah nach oben, »sind Beschäftigte der Firma LoBauTech, die um ihre Zukunft bangen.«
    »Das sehe ich selbst«, blaffte Lorsow zurück. »Warum sind die Leute nicht an ihren Arbeitsplätzen?«
    »Weil es sonst bald keine mehr gibt«, rief jemand von unten aus der Menge. Zustimmendes Klatschen unterstützte den Zwischenrufer.
    »Ihnen als Betriebsratsvorsitzenden muss ich ja wohl nicht erklären, dass das Verlassen des Arbeitsplatzes während der Arbeitszeit ohne Zustimmung der Vorgesetzten nicht zulässig ist. Das könnte man schon fast als wilden Streik werten und Sie alle müssen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen, wenn Sie nicht sofort…«
    Weiter kam der Geschäftsführer nicht. Der Rest des Satzes ging in einem gellenden Pfeifkonzert und Buh-Rufen unter.
    Der Betriebsratsvorsitzende hob erneut die Hand. »Herr Doktor Lorsow, dies ist betriebsverfassungsrechtlich eine ordnungsgemäß angemeldete Teilbelegschaftsversammlung.
    Hier sind nur Kollegen aus dem Werkzeugbau, der als einer der Ersten von Entlassungen bedroht ist.«
    »Genau!«, schrien die Blaumänner von unten. »Sehr richtig!«
    »Sie haben es abgelehnt, auf unserer Versammlung zu erscheinen und Rede und Antwort zu stehen, und deshalb…«
    »Feigling!«, brüllte jemand.
    »Wohl keinen Arsch in der Hose!«
     
    Einige Männer lachten spöttisch.
    »… waren die Kollegen der Meinung, dass wir Sie besuchen und das Gespräch bei Ihnen im Büro führen sollten.«
    Beifall kam auf.
    »Machen Sie sofort die Zigarette aus, machen Sie sie aus.«
    Der Pförtner sprang hektisch vor einem der Arbeiter herum.
    »Das geht doch nicht, der Teppichboden…«
    Der Angesprochene gab dem Uniformierten einen vorsichtigen Schubs. »Klappe«, knurrte er.
    »Schon gut, Herr Schmidt«, beruhigte von oben Friedhelm Lorsow seinen Mitarbeiter. »Gehen Sie ruhig zurück an die Pforte.«
    »Aber ich kann Sie doch nicht hier alleine…«
    »Nun gehen Sie schon.«
    Der Pförtner schlich betrübt davon, ehrlich davon überzeugt, dass sein Chef einen großen Fehler gemacht hatte.
    »Damit das klar ist: Ich bin nicht bereit, unter Druck mit Ihnen zu verhandeln.«
    »Wer übt hier Druck aus?«, beschwerte sich jemand. »Dein Arbeitsplatz ist ja nicht gefährdet.«
    »Seien Sie doch vernünftig. Wir können über alles sprechen.«
    Die Männer lachten verzweifelt. »Die Sprüche kennen wir.
    Erst stundenlang labern und dann doch rausschmeißen.«
    »Herr Doktor Lorsow!« Der Betriebsratsvorsitzende stieg die letzten Stufen hoch und stellte sich neben den Geschäftsführer.
    »Wir vom Betriebsrat haben einen gesetzlichen Anspruch auf Information. Also drücken Sie sich nicht länger vor Ihrer Verantwortung und schenken Sie uns reinen Wein ein.«
    »Ich sagte Ihnen bereits, ich verhandle nicht unter Druck.«
    »Wer redet denn von Verhandlungen? Wir wollen Informationen, sonst nichts.«
    Lorsow zögerte. »In Ordnung. Aber nicht mit allen hier. Ich rede nur mit dem Betriebsrat.«
     
    Wieder waren Buh-Rufe zu hören.
    »Einverstanden. Mit dem Betriebsrat. Und dem Vorsitzenden der gewerkschaftlichen Vertrauensleute.«
    Die Arbeiter klatschten.
    »Gut. Vereinbaren Sie einen Termin mit meinem Sekretariat.« Lorsow drehte sich zum Gehen.
    Für einen Moment wirkte der Betriebsratsvorsitzende völlig konsterniert. Auch die Arbeiter schienen verblüfft. Dann brach ein unbeschreiblicher Tumult los. Ohrenbetäubendes Gepfeife setzte ein. Wutschnaubend drängten die Männer nach oben.
    Fäuste wurden drohend gehoben. Einige schwenkten ihre Pappschilder wie Schlagwerkzeuge. Lorsow und der Betriebsratsvorsitzende wurden nach hinten in den Flur gedrückt. Der Geschäftsführer versuchte vergeblich, im Gedränge die Tür zu seinen Vorzimmer zu erreichen. Die Menge johlte und schob sich weiter an Lorsow

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