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Zweyer, Jan - Rainer

Zweyer, Jan - Rainer

Titel: Zweyer, Jan - Rainer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgs Geheimnis
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lebten! Andererseits, so überlegte Esch, wenn sie schon tot waren, wie hatte dann Georg Pawlitsch an den Namen des Mörders kommen können?
    Rainer griff zum Castroper Telefonbuch. Darin standen zwar nur eine Hand voll Grossers, dafür aber gute vier Dutzend Schmidts. Der Anwalt setzte einen Espresso auf und dachte über sein weiteres Vorgehen nach. Wenn ihn seine rudimentär vorhandenen Geschichtskenntnisse über die Anfangsjahre der Bundesrepublik nicht täuschten, war das stockkatholische Zentrum nach nur einer Legislaturperiode in der CDU
    aufgegangen. Es bestand also durchaus die Möglichkeit, dass der örtliche CDU-Stadtverband über Informationen über die beiden Nachkriegspolitiker verfügte.
    Esch suchte die Telefonnummer der CDU-Geschäftsstelle heraus und wählte sie.
    »Guten Tag, mein Name ist Rainer Esch, ich studiere Geschichte an der Ruhr-Universität. In meiner Magisterarbeit beschäftige ich mich mit der Geschichte der Zentrumspartei im Ruhrgebiet. Im Rahmen meiner Recherche bin ich auf zwei Namen aus Castrop-Rauxel gestoßen, die…«
     
    Freundlich, aber bestimmt gab ihm eine Dame am anderen Ende der Leitung zu verstehen, dass sie ihm keine Auskunft geben könne und Rainer deshalb mit dem wissenschaftlichen Referenten des Bundestagsabgeordneten Sowieso verbinden würde, der…
    Der Anwalt wartete, bis sich der Referent meldete, und sagte dann erneut sein Sprüchlein auf.
    »Mit dem Zentrum? Das ist ja interessant. Darüber würde ich gerne mehr wissen. Wenn Sie mich in dieser Sache auf dem Laufenden halten würden…«
    »Klar«, versprach Esch generös.
    »Wie, sagten Sie, heißen die zwei Politiker?«
    »Adolf Grosser und Siegesmund Schmidt.«
    »Die Namen sagen mir nichts. Aber bestimmt kann Ihnen unser Ehrenvorsitzender weiterhelfen. Der war damals schon aktiv in der Castroper Kommunalpolitik verankert. Warten Sie, ich gebe Ihnen seine Telefonnummer.«
    Der Ehrenvorsitzende wohnte Am Kärling im Castroper Stadtteil Ickern und war noch rüstig genug, Esch selbst die Tür zu öffnen.
    »Guten Tag, Herr Dombrowsky. Esch, wir haben eben miteinander telefoniert.«
    »Bitte kommen Sie herein, kommen Sie nur.« Dombrowsky humpelte an einem Stock ins Wohnzimmer. »Setzen Sie sich, bitte setzen Sie sich.« Der Alte war grauhaarig, fast weiß, hatte eine ausgemergelte Gestalt und wackelte unablässig mit dem Kopf. Er sah aus wie ein Gespenst. »Was wollen Sie wissen, wollen Sie wissen?«
    »Herr Dombrowsky, ich arbeite an einer Magisterarbeit über das Zentrum in der Nachkriegszeit im Revier. Da sind mir zwei Namen aufgefallen…« Rainer zog das Foto aus der Tasche und zeigte es seinem Gesprächspartner. »Adolf Grosser und Siegesmund Schmidt. Hier, die beiden. Kennen Sie sie?«
    »Ja, sicher, sicher. Der Grosser. Ein Schwatter bis auf die Knochen. Der warf selbst im Dunkeln einen Schatten.«
    Dombrowsky begann heiser zu lachen und dann heftig zu husten. Als er wieder zu Atem gekommen war, setzte er fort:
    »War später mit mir in der Ratsfraktion, …fraktion. So bis Anfang der Sechziger… Ende der Sechziger. Ist dann zurückgetreten. Der hatte Krebs, glaube ich. Krebs hatte der, Krebs. In dem Alter. Ist auch bald darauf gestorben. Hätte sonst aber sowieso zurücktreten müssen. Hat eine Nutte auf der Straße aufgegabelt und sie in seinem Auto mitgenommen. Als das rauskam, hat er behauptet, das arme Ding hätte sich im Dunkeln verlaufen und er hätte sie nur ein Stück mitnehmen wollen. Ein Stück mitnehmen, stellen Sie sich das vor!
    Untragbar! Verkommenes Subjekt!« Dombrowsky wackelte stärker mit dem Kopf, klopfte mit dem Krückstock mehrmals auf den Teppichboden und gluckste.
    Esch versuchte sich vorzustellen, welche Erinnerungen den Altpolitiker in diesem Zusammenhang so erheiterten. Dann musste er schmunzeln. Wahrscheinlich hatte sich Dombrowsky selbst bei seinen Affären nie erwischen lassen. »Und Siegesmund Schmidt?«
    »Schmidtchen? Siggi Schmidtchen?« Dombrowsky kicherte wieder. Und hustete anschließend. »Die größte Flasche, die in der Partei seit ihrer Gründung rumgelaufen ist. Der war so blöd, der konnte kein Fremdwort richtig aussprechen. Wir müssen die Relatäten draußen anerkennen, hat der immer gesagt. Die Relatäten anerkennen, hi, hi.« Der Mann begann zu sabbern und immer unkontrollierter mit dem Kopf zu wippen.
    »Sie bemerkten gerade: war so blöd. Lebt der auch nicht mehr?«
     
    Dombrowsky sah Rainer überrascht an. »Was haben Sie gesagt?«
    »Ich habe Sie

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