Zweyer, Jan - Rainer
Württemberger, Weingut Grantschen.
Das Büfett war eine Wucht. Sie arbeiteten sich über die Vorspeisen zu den warmen Gerichten vor und verzehrten eine Consommé von Tauben und ein auf den Punkt gebratenes Filet Wellington mit Burgundersoße und Ofenkartoffeln. Nach der Eisbombe mit heißen Beeren bestellte Rainer zu der friesischen Käseauswahl eine weitere Flasche Riesling.
»Kannst du noch mehr essen?«, wunderte sich seine Freundin.
»Kostet eh nicht mehr«, meinte ihr Gegenüber, verdrängte den Gedanken an die Folgen seiner Völlerei und schob sich genussvoll ein Stück Käse in den Mund.
Sie beendeten ihr Weihnachtsessen mit Espresso und Veccia Romagna und warteten auf die Rechnung. Rainer unterzog derweil den Inhalt seiner Brieftasche einer kritischen Inspektion und stellte beruhigt fest, dass er seine Kreditkarte nicht – wie so oft – vergessen hatte.
Das Menü schlug mit knapp zwei Blauen zu Buche und inklusive der Getränke ergab sich eine Rechnung von knapp dreihundertfünfzig Mark. Kein preiswerter Spaß, aber dem Anlass mehr als angemessen, fand Rainer. Außerdem war im Preis eine Feuerzangenbowle enthalten, die jetzt im Kaminzimmer auf sie und die anderen Gäste wartete.
Als sie den Raum betraten, war bereits eine lautstarke Diskussion unter den Deutschamerikanern über die korrekte Zubereitung einer Feuerzangenbowle ausgebrochen. Die älteren von ihnen verwiesen auf den Film mit Heinz Rühmann und bestanden darauf, dass der Zuckerhut waagerecht über dem Wein liegen müsse, die jüngeren, angeführt von dem Befrackten, insistierten, dass das geschulte Hotelpersonal im Kurhaus schon wisse, was es tue, und deshalb der senkrecht stehende Zucker ebenso brennen würde.
Rainer schlug sich gedanklich auf die Seite der Rühmannfraktion, vor allem nachdem er neidisch festgestellt hatte, dass der Frackträger unter seiner Jacke Bluejeans trug.
Sie setzten sich an einen Ecktisch und lauschten amüsiert dem immer heftiger geführten Disput, der zudem dadurch angeheizt wurde, dass es einem der Hotelangestellten tatsächlich nicht gelang, den senkrecht stehenden Zucker zu entzünden, obwohl dieser vor Rum nur so triefte.
»Ihr müsst auch den richtigen nehmen«, dröhnte es von der Tür. Enno Altehuus, der mit seinem Sohn und den beiden Kripobeamten das Kaminzimmer betreten hatte, nahm dem Kellner die Pulle aus der Hand und musterte das Etikett. »Nur zweiunddreißig Prozent! Kinderkram! Hol was Anständiges und das Ding brennt.«
Der Ober verschwand hinter der Theke und die vier nahmen den Tisch neben den Anwälten in Beschlag.
Elke knuffte Rainer in die Seite. »Ist der eine nicht der Sohn des Inselpolizisten?«, fragte sie leise. »Dann ist der große Bärtige vermutlich sein Vater? Er sieht ihm ähnlich.«
»Ich glaube schon. Vielleicht sollte ich den Dorfsheriff wegen Schwiebus ansprechen?«
»Hier? Am späten Heiligabend? Ich weiß nicht…«
»Was sage ich, wenn mich der Bulle fragt?«
»Wenn er das tut. Dann wird dir schon etwas einfallen.«
»Na gut. Vertagen wir Schwiebus’ Problem. Die werden ja nun nicht gerade heute oder morgen wegen einem kleinen Kokser die ganze Insel auf den Kopf stellen. Haben die Kellner die Feuerzangenbowle jetzt im Griff?«
Mit einer Verpuffung, die freudige »Ahs« unter den Anwesenden auslöste, zündete der Hochprozentige und beendete den Streit am Nebentisch.
Drei Glas später, die Stimmung unter den Gästen war proportional zu der getrunkenen Bowlemenge gestiegen, bat Hendrik Altehuus Elke und Rainer zu den Polizisten an den Tisch. Rainer zögerte, gab dann aber dem Drängen nach, um nicht unhöflich zu erscheinen. Sie stellten einander vor.
»Vater, das ist der Anwalt, von dem ich dir erzählt habe.«
Enno Altehuus streckte den beiden seine Rechte hin. »Moin.
Sie wollten mich heute Morgen sprechen?«
Rainer schluckte. Dann fiel ihm tatsächlich eine Ausrede ein.
»Ach, das war wegen nichts Besonderem. Ich… äh… benötige nur einige Anschriften. Und da das Rathaus bereits geschlossen hatte…«
Altehuus warf seinem Sohn einen schnellen Blick zu.
»Welche Anschriften?«
»Von Grundstücksbesitzern.«
»Verstehe. Kaufverhandlungen. Ich hoffe, Sie werden keinen Erfolg haben. Entschuldigen Sie, das ist nicht persönlich gemeint, aber…«
Rainer hob beide Hände. »Kein Problem.«
»Lassen Sie mal.«
Der Kellner brachte eine weitere Runde Punsch. Elke lehnte dankend ab und bat stattdessen um ein Mineralwasser. Rainer und die
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