Zweyer, Jan - Rainer
junge Frau an. Sein Schweizer Akzent war unüberhörbar.
»Ja.«
»Was, ja?«
»Ja. Da können wir noch etwas machen.«
»Dann tun Sie das.«
»Nicht einfach.«
»Wenn es am Preis liegen sollte…« Favre zückte ungeduldig seine Geldbörse.
»Nicht direkt.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Wir haben eine Warteliste. Fast alle Passagiere buchen vor und Sie…«
»Verstehe. Wie viel?«
»Nein, ich meine, um einen Platz in der nächsten Maschine…«
»Reichen hundert?« Favre schob langsam einen blauen Schein vor.
Die Angestellte machte ein erstauntes Gesicht. »Ich glaube, Sie haben mich falsch verstanden. Ich…«
Wortlos schob der Schweizer einen zweiten Hunderter hinterher. Die Frau schüttelte verwundert den Kopf, griff zu den Scheinen, schlug unschuldig die Augen nieder und sagte:
»Ich denke schon.« Sie tippte etwas in den Rechner. »Ein Platz in der nächsten Maschine. Sie zahlen bitte bei Ankunft.«
Als der eilige Fluggast das kleine Buchungsterminal verlassen hatte, lachte sie laut und rief zu ihrem Kollegen am Funk: »Sag dem Piloten, er soll unserem Gast etwas bieten.
Eine zusätzliche Schleife über dem Platz. Oder Durchstarten.
Etwas in der Art. Er hat dafür schon seinen Obolus in unsere Kaffeekasse bezahlt.« Und halblaut sagte sie zu sich selbst:
»Was für ein Idiot! Zahlt zweihundert für einen Platz, den er auch so bekommen hätte. Aber wenn er mich nicht ausreden lässt…«
François Favre zwängte sich stinksauer aus der Flugzeugkabine. Von wegen Warteliste! Nur zwei Fluggäste, ihn inbegriffen. Die Tussi hatte ihn über den Tisch gezogen.
Kaum hatte er den Windschatten der Maschine verlassen, packte ihn der eisige Wind.
»Verdammt, ist das kalt hier«, fluchte der 25-Jährige und schlug den Kragen seines Cashmere-Mantels höher. Er griff zu seiner Reisetasche und ging die wenigen Schritte bis zum Flugplatzgebäude.
»Wo bekomme ich ein Taxi?«, erkundigte er sich bei der Kassiererin an der Getränkeausgabe, die Warteschlange vor ihm ignorierend.
Die musterte ihn von oben bis unten: eleganter, hellbrauner Mantel. Italienischer Edel-Zwirn in Flanellgrau. Glänzende Lederschuhe. »Draußen. Hinter dem Gebäude.«
Ohne Grußwort schob Favre ab. Am Taxistand unterhielt sich eine Urlaubergruppe.
»Wo sind denn hier die verdammten Taxen?«, fragte der Schweizer.
Einer der Urlauber zeigte nach Westen. Favres Blick folgte dem ausgestreckten Arm und sah das Taxi davontraben.
»Wenn Sie sich beeilen…«, griente einer aus der Gruppe.
»Sehr schnell sind die nicht…«
»Das sind hier die Taxen?« Ungläubig blickte der Schweizer hinter den Pferden her.
Die Urlauber nickten.
»Was für eine…« Favre verschluckte das letzte Wort und machte sich leise fluchend auf, das Pferdetaxi zu Fuß einzuholen. Und das alles nur wegen Marlies!
Nicht dass er sie nicht gemocht hätte. Die Abende in den Bars und Nachtklubs seiner Schweizer Heimatstadt und die Nächte in seiner Penthouse-Suite hatten Klasse gehabt. Keine Frage. Ihre Figur und ihr Aussehen: makellos. Aber Klasse hatten auch die anderen jungen Töchter reicher Eltern aus ganz Europa, die ihre Sprösslinge in sündhaft teuren Schweizer Internaten ablegten. Nun hatte er sich zu nachtschlafender Zeit in den Flieger nach Bremen gesetzt, war von da mit einem Taxi nach Norddeich gefahren, um festzustellen, dass er auf die nächste Fähre mehr als zwölf Stunden warten musste. Dann der kurze Luftsprung nach Juist und jetzt hechelte er einem Pferdekarren hinterher, der als Taxi firmierte. Nein, keine Frau der Welt war es in seinen Augen wert, sich solche Strapazen zuzumuten.
Auf einer kleinen Anhöhe kurz vor dem Dorf hatte er das Taxi endlich erreicht. Keuchend rief er der Kutscherin zu: »Ich suche ein Hotel. Können Sie mich dorthin bringen?«
»Welches Hotel?«, erkundigte sich die junge Frau und gebot den beiden Kaltblütern mit einem kurzen Ruck an den Zügeln anzuhalten.
»Was weiß ich. Ein gutes Hotel halt. Irgendeines.«
»In Ordnung. Steigen Sie hinten auf.«
Favre bezog das letzte freie Zimmer im Hotel Pabst, genehmigte sich zum Aufwärmen an der Hotelbar zwei Chivas Royal Salute auf Eis, kaufte sich im Sportgeschäft, das dem Hotel gegenüberlag, einen wärmenden Wollschal und machte sich auf zur Polizeiwache an der Carl-Stegmann-Straße.
»Wer sind Sie?«, fragte Enno Altehuus zum zweiten Mal und kaute an seinem Kugelschreiber.
»Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. François Favre, der Verlobte von
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