Zweyer, Jan - Rainer
der Initiative einfach nur Luft holen mussten – das Pfeifen und Klappern ließ etwas nach, so dass sich der vorne stehende Mann nun besser verständlich machen konnte.
»Ich versichere Ihnen, auch die Mitglieder der Bürgerinitiative werden auf dieser Versammlung Gehör finden.«
Vereinzelter Applaus war zu hören. Die Pappschilder der Golfplatzgegner wurden gesenkt und die Pfeifen aus dem Mund genommen. Dann kehrte eine labile Ruhe ein.
»Ich danke Ihnen«, fuhr der Versammlungsleiter fort. »Ich möchte ausdrücklich betonen, dass es sich bei dieser Versammlung nicht um eine Gemeinderatssitzung handelt, auch wenn ich als Bürgermeister gebeten wurde, die Veranstaltung heute zu moderieren. Hier werden auch keine Beschlüsse gefasst, und selbst wenn sich die Versammlung eindeutig für oder gegen den Golfplatz aussprechen sollte, kann dieses Votum natürlich nicht bindend für den Gemeinderat sein, da die hier Anwesenden zufällig zusammengekommen und nicht demokratisch legitimiert…«
Empörtes Zischen war aus der Ecke der Demonstranten zu hören. »Ihr etwa?«, rief einer halblaut. »Schon mal was von Basisdemokratie gehört?«
Der Bürgermeister ignorierte die Bemerkung. »Wir werden nun zunächst den Vorsitzenden des Ausschusses für Umweltschutz und Bauwesen zu den Absichten der Investoren hören.«
Leises Stöhnen im Publikum ließ darauf schließen, dass nicht alle Anwesenden von der Ankündigung beglückt waren.
Ein schmächtiger Mann stand auf und hielt einen, wie Rainer fand, zwar manchmal etwas langatmigen, aber recht informativen Vortrag. Er schilderte die Pläne der Investoren anhand einer Karte der Insel, verwies auf die einschlägigen Bestimmungen und Gesetze des Naturschutzes, verdeutlichte die Bauvorschriften der Gemeinde und schloss dann: »Ein Golfplatz am Rande des Naturschutzgebietes will natürlich wohl überlegt sein. Aber er kann unserer Insel auch einen kräftigen, touristischen Aufschwung bringen, der wirtschaftlich betrachtet…«
»Was für Touristen?«, erregte sich ein
Versammlungsteilnehmer, der in der zweiten Reihe saß.
»Millionäre?«
»Genau!«, rief ein anderer. »Und die Masse der Gäste bleibt weg, weil sie die Preise nicht mehr bezahlen kann. Dann überleben nur ein paar große Hotels und wir kleinen Pensionswirte werden geschluckt.«
»Jetzt machen Sie mal einen Punkt«, schimpfte ein Dritter.
»Woher wollen Sie das denn wissen? Auf Föhr, Norderney und Sylt ist doch auch…«
Das war das Stichwort für die Bürgerinitiative. Sie skandierte: »Kein neues Sylt! Juist muss Juist bleiben! Erhaltet Töwerland!«
»Wer hat denn euch bezahlt«, blaffte eine junge, elegant gekleidete Frau die Umweltschützer an und stand auf.
»Chaoten seid ihr, sonst nichts.« Die letzten Worte schrie sie fast. Einige der Umsitzenden klatschten begeistert Beifall.
»Meine Damen und Herren«, versuchte der Bürgermeister die Lage wieder unter seine Kontrolle zu bringen. »Wir wollen doch demokratisch miteinander…«
»Wenn ich das schon höre«, rief ein Golfplatzgegner.
»Demokratie wird doch hier nur dann bemüht, wenn sie denen da nützt!« Er zeigte auf die elegante Dame.
»Also, das ist ja wohl…«
Der Rest war nicht mehr zu verstehen. Die Demonstranten pfiffen, ein Teil der Anwesenden schimpfte lautstark in deren Richtung, andere waren aufgestanden und redeten heftig gestikulierend aufeinander ein.
Der Bürgermeister schüttelte verzweifelt den Kopf und der Ausschussvorsitzende ging vorsichtshalber hinter dem Flipchart in Deckung.
Nach zehn Minuten beruhigten sich die Gemüter so weit, dass der Bürgermeister sich wieder Gehör verschaffen konnte:
»Nun seien Sie doch bitte ruhig und nehmen Sie wieder Platz.
Alle! Auch Sie dort mit den Transparenten. Dann erteile ich auch Ihnen das Wort.«
Murrend folgten die Golfplatzgegner der Aufforderung.
»Vielen Dank. Nun spricht zu uns Christian Hanssen, Vertreter der Bürgerinitiative ›Kein Golfplatz auf Juist‹. Bitte, Christian.«
Der Bärtige erhob sich langsam und hielt ein flammendes Plädoyer für den Naturschutz und den Erhalt des Status quo.
»… und darum sind wir gegen die Pläne von Wilhelm Steiner und seinen Hintermännern. Wir fordern euch auf, eure Grundstücke nicht zu verkaufen. Auch nicht an den dubiosen Anwalt aus dem Ruhrgebiet, der dort hinten im Saal sitzt und seit einigen Tagen versucht, auf unserer Insel Geschäfte zu machen.« Er zeigte mit der Rechten auf Rainer.
Fast alle im Saal
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