Zweyer, Jan - Rainer
die mir ihr Vater gegeben hat.« Buhlen blätterte in seinen Unterlagen.
»Hier.« Er griff zum Telefonhörer. »Ich rufe an.« Zwei Minuten später legte er auf. »Nichts. Der Teilnehmer ist vorübergehend nicht erreichbar, meldet die Mailbox.«
»Wir sollten bei der Telefongesellschaft nachfragen, welche Gespräche von dem Apparat geführt wurden. Vielleicht lässt sich das Gerät ja noch orten. Erledigst du das?«, fragte Müller.
Buhlen nickte.
Mit schrillem Gekreisch meldete sich die Türklingel.
Buhlen stand auf, ging in den kleinen Vorflur und öffnete.
Vor ihm stand Rainer Esch.
»Ich wollte ein Missverständnis aufklären«, sagte der Anwalt und hob die Tageszeitung vom Vortag mit dem Phantombild Charly Schwiebus’. »Ich glaube, Sie sind auf dem falschen Dampfer.«
»Aha. Glauben Sie«, erwiderte der Kommissar. Er ließ Rainer in das Wachzimmer eintreten. Esch begrüßte Müller und wartete, bis Buhlen ihm einen Stuhl hinschob. »Setzen Sie sich. Was haben Sie uns zu sagen?«
Rainer zückte seine Visitenkarte. »Ich vertrete die Interessen von Karl-Heinz Schwiebus.«
»Wer ist Schwiebus?«, fragte Dieter Buhlen.
Esch zeigte auf das Phantombild. »Der hier.«
»Ach nee. Das ist ja interessant. Und Sie sind sein Anwalt.«
Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. »Warum kommt Ihr Mandant nicht selbst?«
»Das wäre im Moment nicht opportun.«
Buhlen verschluckte sich fast. »Wir versuchen, einen Mord aufzuklären, und Sie reden hier von Opportunität. Mann, Sie…«
»Wo ist Ihr Mandant?«, schaltete sich Müller ein. »Ich vermute, noch auf der Insel.«
»Ich glaube nicht, dass ich verpflichtet bin, Ihnen diese Frage zu beantworten. Herr Schwiebus wird zu gegebener Zeit bereit sein, mit Ihnen in Kontakt zu treten. Vorher müssen wir aber noch einige strittige Punkte klären.« Rainer fand seinen bisherigen Auftritt ungemein professionell. »Mein Mandant möchte zunächst wissen, warum Sie nach ihm fahnden.«
»Liest er keine Zeitung?«, schnaubte Buhlen. »Er hat das Opfer gekannt.«
»Das dürfte auf viele zutreffen«, konterte Rainer.
»Richtig. Aber die anderen haben kein Fersengeld gegeben, als wir sie befragen wollten. Warum ist dieser Schwiebus aus der Spelunke getürmt, wenn er nichts zu verbergen hat?«
Jetzt war Rainers Selbstsicherheit etwas erschüttert. »Dann hat die Geschichte nichts mit dem Rauschgift zu tun?«, rutschte ihm heraus.
»Was für Rauschgift?«, wunderte sich Müller.
Rainer biss sich auf die Lippen, entschloss sich aber, die Flucht nach vorne anzutreten. »Schwiebus hatte eine geringe Menge Kokain in der Tasche, als er in der Kneipe war.
Deshalb ist er geflüchtet. Er nahm an, Sie wollten ihn festnehmen.«
»Koks? Er hat geglaubt, wir wären Rauschgiftfahnder?«
Buhlen war verblüfft.
»Etwas in der Art, ja.«
»Wo steckt Ihr Mandant? Wir müssen ihn sprechen. Wenn das so war, wie Sie sagen, und er mit dem Mord nichts zu tun hat, hat er ja auch nichts zu befürchten.«
»Ich werde ihn auffordern, sich Ihnen zur Verfügung zu stellen.«
»Wo hält er sich versteckt?«
»Ich habe keine Ahnung«, log Esch. »Aber ich werde mit ihm telefonisch Kontakt aufnehmen.«
»Tun Sie das, Herr Esch. In seinem Interesse.«
Als Rainer das Büro verlassen hatte, griff Buhlen zum Funkgerät, um mit Altehuus zu sprechen. »Müssen sich Urlauber hier auf der Insel eigentlich anmelden?«, fragte er, als Altehuus’ Stimme aus dem Lautsprecher krächzte.
»Ja, natürlich. Bei der Kurverwaltung. Jeder Gast zahlt Kurtaxe. Bei der Anmeldung muss angegeben werden, wo er für den Zeitraum seines Aufenthaltes wohnt.«
Dieter Buhlen griff nach seinem Mantel. »Ich gehe zur Kurverwaltung und besorge die Urlaubsadresse von diesem Schwiebus. Ich verlasse mich doch nicht auf das Gerede von diesem Anwalt!«
Zwanzig Minuten später stieß Enno Altehuus vor der Kurverwaltung fast mit seinem Kollegen Buhlen zusammen, der auf die Straße stürmte.
»Na«, brummte der Uniformierte. »Erfolg gehabt?«
Buhlen schüttelte den Kopf. »Kein Schwiebus gemeldet. Der Kerl hat sich um das Bezahlen der Kurtaxe gedrückt.«
»Dann ist er jedenfalls nicht in einem Hotel oder einer der Pensionen.«
»Klasse. Nützt uns das etwas?«
»Ich glaube nicht.«
»Zahlt der Mistkerl einfach keine Kurtaxe!«
Altehuus schüttelte bedauernd den Kopf. »Es gibt schon unehrliche Menschen.«
20
Die Cirksenastraße lag zwischen Katholischer Kirche und Strand. Am Ende der Straße,
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