Zweyer, Jan - Rainer
drehten sich um und sahen zu den beiden Juristen.
»Bevor ihr an den verkauft, solltet ihr euch von ihm erklären lassen, warum dieser saubere Anwalt mit einem Mann zusammenarbeitet, der von der Polizei in Zusammenhang mit dem Mord an dem Mädchen gesucht wird und sich versteckt hält. So stand es jedenfalls heute in der Zeitung.«
Für einen Moment trat eisiges Schweigen ein. Rainer wurde es unter den Blicken der Anwesenden heiß und kalt. Leise Bemerkungen und giftige Zischlaute waren zu hören.
Esch warf seiner Freundin einen fragenden Blick zu. Elke nickte. Sie standen auf und verließen den Saal.
»Wieso wird Schwiebus wegen des Mordes von der Polizei gesucht?«, wollte Elke wissen, als sie vor dem Eingang auf dem mit roten Ziegeln gepflasterten Weg standen. »Du sagtest doch…«
»Woher soll ich das wissen?«, schnaubte Rainer erregt und zündete sich eine Reval an. »Ich hatte doch nicht die geringste Ahnung, verdammter Mist!«
»Damit dürfte sich dieses Mandat erledigt haben.«
»Sehe ich auch so.« Er sog tief den Rauch ein. »Aber was hat Schwiebus mit dem Mord…«
»Entschuldigen Sie.« Aus dem Gebäude waren zwei Männer getreten und hatten sich ihnen bis auf wenige Schritte genähert.
Einer der beiden war untersetzt und elegant gekleidet, der andere hoch gewachsen und kräftig. Letzterer trug eine Prinz
Heinrich-Mütze und streckte ihnen seine Hand entgegen.
»Mein Name ist Steiner.« Er zeigte auf den Mann neben ihm.
»Das ist Herr Wübber. Der Vater der Ermordeten.«
Elke machte einen Schritt auf Wübber zu, während Steiner in seiner Manteltasche kramte und sich eine filterlose Rothändle ansteckte.
»Schlüter. Mein herzliches Beileid.«
Rainer stellte sich ebenfalls vor, murmelte etwas von:
»Schließe mich an.«
»Danke.«
Steiner ergriff wieder das Wort. »Sie werden verstehen…
Herr Wübber möchte natürlich, dass der Mord an seiner Tochter so schnell wie möglich aufgeklärt wird. Und die Bemerkungen eben im Saal…«
Bevor Rainer antworten konnte, schaltete sich Elke ein.
»Herr Esch ist Anwalt und geschäftlich auf Juist. Die während der Veranstaltung eben gefallenen Bemerkungen sind ihm ein Rätsel. Er weiß nicht…«
Der Untersetzte unterbrach Elke mit müder Stimme. »Lassen Sie. Sie sind Dezcweratskys Anwalt, Herr Esch, oder?«
»Wie kommen Sie…«
»Hat Ihnen noch niemand gesagt, dass auf dieser Insel nichts lange geheim bleibt? Dieser Mann, von dem eben die Rede war, arbeitet der auch für Ihren Auftraggeber?«
Die beiden Anwälte schwiegen.
Wübber nickte langsam. »Vermutlich ist es so. Er sollte sich stellen und die Fragen der Polizei beantworten. Sagen Sie ihm das, Herr Esch.«
Rainer schluckte. »Aber ich…«
Wortlos drehte sich Wübber um und verschwand mit müden Schritten in der Dunkelheit.
»Damit dürfte unsere Zusammenarbeit beendet sein, noch ehe sie angefangen hat«, bemerkte Steiner gelassen. Er sah Wübber nach. »Sie sollten nicht den Fehler machen, diesen Mann zu unterschätzen.« Dann ließ auch er das Paar stehen und folgte Wübber.
Verblüfft schauten sich Elke und Rainer an.
»Was sollte das denn?«, fragte Elke. »War das eine Drohung?«
»Hörte sich so an. Der glaubt doch hoffentlich nicht, dass ich etwas mit dem Mord zu tun habe!«
»Dieser Eindruck drängt sich aber geradezu auf.«
»Und warum Schwiebus?«
»Vielleicht eine Verwechslung?«
»Sagte der Typ von der Bürgerinitiative nicht etwas von einer Zeitung? Komm, wir gehen ins Hotel. Lesen.«
Der Ostfriesische Kurier brachte die Geschichte auf dem Titelblatt. Neben der Schlagzeile: Ist das der Mörder von Marlies W.? war ein Phantombild abgedruckt, das verblüffende Ähnlichkeit mit Charly Schwiebus aufwies.
»Wenn das eine Verwechslung sein sollte, dann hat dein Freund einen Doppelgänger«, bemerkte Elke lakonisch. »Und wenn nicht, hat er ein Problem.«
»Kannst du dir Schwiebus als Mörder vorstellen?«
»Eigentlich nicht.«
»Ich auch nicht. Außerdem hat er meiner Ansicht nach wirklich geglaubt, die Bullen seien wegen des Kokains hinter ihm her.« Rainer war schon mit seinem Handy beschäftigt.
»Schwiebus meldet sich nicht. Nur die Mailbox.«
»Du solltest zur Polizei gehen«, schlug Elke vor.
Rainer überlegte. »Gut. Morgen Nachmittag gehe ich zu den Bullen. Nach unserem Spaziergang. Aber jetzt brauche ich ein Glas Wein.«
19
In dieser Nacht kehrte der Nebel zurück. Und das Packeis aus Richtung Norderney. Morgens stellte die
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