Zweyer, Jan - Rainer
Beamten auf der Straße.
»Was ist?«, wollte Buhlen wissen.
»Altehuus. Die Spurensicherung ist eingetroffen. Einer von uns beiden sollte sich um Steiner kümmern, einer mit Wübber reden.«
»Was ist mit der Spurensicherung? Müssten wir da nicht auch…?«
»Zum Hafen? Bei dem Wetter? Aber du hast Recht. Also gut.
Einer geht erst zu Steiners Kneipe im Loog, dann zum Hafen.
Der andere darf es sich in Wübbers Hotel bequem machen.
Wir losen, einverstanden?«
Müller nickte.
Buhlen kramte ein Markstück aus der Tasche. »Kopf oder Zahl?«
»Zahl.«
Buhlen warf das Geldstück hoch, fing es mit seiner Linken auf und schlug es auf den rechten Handrücken. »Mist. Du hast gewonnen. Vergiss nicht, Wübber zu fragen, warum er von seiner Frau getrennt lebt.«
Der Bremer Teehändler war nicht in seinem Hotel, als Günter Müller nach ihm fragte. Die hübsche Dame an der Rezeption versicherte dem Kommissar, der Gesuchte habe vor einigen Minuten das Haus verlassen, um noch ein wenig spazieren zu gehen. Müller versuchte sein Glück und lief am Kurhaus vorbei Richtung Meer. Tatsächlich sah er von den Dünen aus Wübber unten am Strand. Der hatte den Durchbruch bereits passiert und war auf dem Weg zur Wasserkante. Müller stolperte den sandigen Weg hinunter und schrie sich gegen den Nordwind die Lunge aus dem Hals. Nach dem vierten oder fünften Ruf blieb der Bremer stehen, drehte sich suchend um und wartete auf den Polizisten.
»Wann machen Sie eigentlich Feierabend?«, erkundigte sich der Geschäftsmann, als ihn Müller mit hängender Zunge erreicht hatte. »Es ist kurz vor vier. Und das am Silvesterabend.«
»Wem sagen Sie das«, keuchte Müller. »Die aufgelaufenen Überstunden werde ich nie abfeiern können.«
»Da haben Sie mir einiges voraus«, lachte Wübber. »Im Gegensatz zu Ihnen weiß ich nicht einmal, wie man das Wort Überstunden schreibt.« Unvermittelt wechselte er den Tonfall.
»Aber Sie sind mir doch nicht gefolgt, um sich mit mir über die Arbeitszeit von Beamten und Selbstständigen auszutauschen, oder?«
»Nein, natürlich nicht. Ich habe noch einige Fragen an Sie.«
»Begleiten Sie mich. Wir können das doch sicher auch beim Gehen erledigen?«
Müller hätte die Unterhaltung zwar lieber an einem wohlig warmen Kaminfeuer bei einem Grog fortgesetzt, musste aber dem Teehändler folgen, der ohne auf seine Antwort zu warten seine Wanderung mit weit ausladenden Schritten fortsetzte.
Es dämmerte bereits. »Scheint aufzuklaren«, bemerkte Wübber und zeigte auf den Mond, der schemenhaft durch die dichte Wolkendecke schien. »Gestern war er um diese Zeit nicht zu sehen. Obwohl wir Vollmond hatten.«
Müllers Blick folgte dem ausgestreckten Arm. Er nahm nur einen Schimmer wahr, der das Dunkle der Wolken etwas aufhellte. Eigentlich war ihm der Mond ziemlich egal. Ihn interessierte nur, wann dieser verdammte Nebel und das Packeis endlich verschwanden, damit er möglichst schnell die Insel wieder verlassen konnte, wenn die Morde aufgeklärt waren. Deshalb fragte er hoffnungsvoll: »Meinen Sie?«
Wübber nickte. »Der Wind dreht.« Er hob prüfend den Kopf.
»Merken Sie das?«
Müller bemerkte Wind, sonst nichts. »Klar«, antwortete er.
Wübber blieb plötzlich stehen. »Was wollen Sie wissen?«
»Ihre Tochter war Erbin eines großen Vermögens. Ist das richtig?«
Der Geschäftsmann schien überrascht. »Woher wissen Sie das?«
»Favre hat es uns erzählt.«
»Dann war er bei Ihnen. Das hätte ich mir denken können. Ja, es stimmt. Marlies hatte geerbt. Von ihrem leiblichen Vater.
Einen erheblich größeren Betrag hat ihr aber ein Onkel, ein Halbbruder meiner Frau, hinterlassen.«
»Zwanzig Millionen Franken?«
»Das weiß Favre also auch.« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. »Ihr Onkel war im Bankgeschäft tätig und hatte den richtigen Riecher. Er spekulierte schon mit Computeraktien, als dieser Bill Gates noch im Sandkasten gespielt hat. Vor etwas über zehn Jahren ist Marlies’ Onkel gestorben. Eine Vermögensverwaltung hat sich um das Erbe gekümmert und den Großteil davon in festverzinslichen Anleihen angelegt. Von einem kleineren Betrag abgesehen, der Marlies an ihrem achtzehnten Geburtstag ausbezahlt wurde, konnte sie bis heute…«, er stutzte, »… bis zu ihrem Tod nicht über das Geld verfügen. Die erste der Anleihen wird in etwa drei Jahren fällig, wenn ich mich recht erinnere.«
Ȇber welchen Betrag konnte Marlies damals
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