Zweyer, Jan - Rainer Esch 01
Sie uns weiterhelfen?«
Der Personaldirektor sah Meiner fragend an. Der blätterte in seiner Akte.
»Westhoff ist nicht verheiratet. Und hat auch keine Kinder, zumindest nicht auf der Steuerkarte. Sonst haben wir hier nichts. Aber Fritz Hülshaus, der weiß das sicher. Der ist doch sein Freund.«
Nach einigen Telefonaten stellte sich heraus, daß Steiger Fritz Hülshaus gerade damit beschäftigt war, eine dringend notwendige Reparatur in einem Kohlestreb zu beaufsichtigen.
Er war lediglich über das Ruftelefon des Strebsteuerstandes zu erreichen.
»Kommen Sie bitte mit«, sagte der Personaldirektor, »wir müssen zum Steuerstand.«
Baumann folgte den beiden.
Als sie den Steuerstand erreichten, war Kommissar Baumann wirklich beeindruckt. Auf zahlreichen Monitoren in der Steuerwarte waren mehrfarbige Symbole und Zahlen zu sehen.
Hier würden, erklärte ihm der PS-Direktor, die Kohlehobel und der stützende Ausbau überwacht und auch gefahren. Und das, obwohl der Abbaubetriebspunkt manchmal zehn oder fünfzehn Kilometer entfernt und – vor allem – etwa 1200 Meter tiefer lag. Es gäbe Überlegungen, den Kohleabbau im Streb fast vollautomatisch ablaufen zu lassen.
Bevor der Direktor weiter die Rationalisierungserfolge im Bergwerk loben konnte, unterbrach ihn Baumann. »Können wir jetzt vielleicht mal den Hülshaus rufen?«
»Natürlich.« Der PS wandte sich an den Leiter der Steuerwarte. »Rufen Sie mal Revier 48.«
Der Mann drückte ein Taste, beugte sich zum Mikrophon und rief: »Hier Strebsteuerstand. Fritz Hülshaus, komm mal bitte.«
Keine Reaktion. Er wiederholte seinen Ruf, diesmal etwas lauter. »Hier Strebsteuerstand. Fritz Hülshaus, komm mal bitte.«
Ein lautes Rauschen kam aus dem Lautsprecher. Sonst nichts.
Der Mann schrie seinen Ruf beim dritten Mal ins Mikro. Nun wurde das Rauschen durch ein Krächzen abgelöst, das mehrmals wiederholt wurde. Baumann verstand kein Wort.
»Hier Strebsteuerstand. Fritz, da ist jemand von der Kripo.«
Er winkte Baumann heran und hielt ihm das Mikro hin.
»Sprechen Sie.«
»Hier Baumann. Kripo Recklinghausen.«
»Sie müssen lauter sprechen, so kann er Sie nicht verstehen.«
»Aha.« Baumann wiederholte sein Sprüchlein.
»Noch lauter.«
Baumann schrie aus vollem Hals. Er hatte das Gefühl, daß er bei dieser Lautstärke auch ohne Mikrophon in der Grube verstanden werden könnte. »Kripo Recklinghausen. Sie kennen Klaus Westhoff? Wissen Sie, ob der irgendwelche Verwandte hat?«
Das Krächzen hörte sich in etwa an wie: »Warum wollen Sie das wissen?«
»Ich kann doch jetzt hier keine langen Erklärungen abgeben.
Beantworten Sie bitte meine Frage«, schrie Baumann.
»Ja.«
»Was ja?«
»Er hat eine Schwester. Sie heißt Stefanie. Sie wohnt hier in Recklinghausen.« Das Rauschen wurde lauter.
»Sind Sie sicher?«
»Was?« krächzte es.
»Sind Sie sicher?« brüllte Baumann.
»Natürlich.«
»Und sonst noch jemand?«
»Was?«
»Ich sagte, und sonst noch jemand?«
»Nicht, daß ich wüßte.«
»Danke.« Kein Krächzen. Der Steuerstandsfahrer unterbrach die Verbindung. Das Rauschen erstarb abrupt. In Baumanns Ohren dröhnte es.
»Vielen Dank für Ihre Mühe«, schrie er Personalleiter und PS-Direktor an. »Könnten Sie mich jetzt bitte zum Ausgang bringen?«
Bei der Verabschiedung verstand der Kommissar nicht ganz das – wie er fand – doch recht unpassende Grinsen seiner beiden Begleiter.
Zurück im Präsidium traf er Brischinsky hinter seinem Schreibtisch an.
»Was stinkt denn hier so«, rümpfte Baumann die Nase.
»Hier stinkt gar nichts. Hier riecht es nach Kamillentee«, schnaubte der Kommissar. »Ich mußte gestern nacht durch Pfützen latschen und konnte mich nicht im Bett einfach noch mal rumdrehen.«
»Was meinst du, was ich gemacht habe?«
»Stimmt. Aber hast du dir nasse Füße geholt oder ich?«
maulte Brischinsky. »Ich muß was für meine Gesundheit tun.
Sonst erlebe ich das Pensionsalter nicht, und Pfeifen wie ihr spart meine Rente ein.«
Baumann hielt es für ratsam, das Thema zu wechseln.
»Ich bin mir ziemlich sicher, daß der Tote Westhoff ist«, unterrichtete er seinen Chef von den bisherigen Ergebnissen seiner Recherchen.
»In der Datei beim Einwohnermeldeamt ist unter der Adresse von Westhoff nur er gemeldet, sonst niemand. Die Fotokopie des Paßbildes ähnelt sehr stark der Leiche, aber du weißt ja, wie diese Bilder üblicherweise aussehen. Laut den Personalakten des Bergwerkes ist der nicht
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