Zweyer, Jan - Rainer Esch 01
verheiratet und hat auch keine Kinder. Ein Steiger sagt, Westhoff habe nur eine Schwester, sonst existierten keine Verwandten. In Recklinghausen gibt es nur zwei Stefanie Westhoffs. Die eine wohnt im Nordviertel und ist 68 Jahre alt. Sie hat auch keinen Bruder namens Klaus, sondern nur ein Enkelkind, das auf diesen Namen hört. Der Kleine heißt allerdings Müller mit Nachnamen. Die können wir vergessen.«
»Und die zweite Stefanie?«
»Wohnt in der Westfalenstraße 78, Hochlarmark. War aber nicht zu Hause. Die Nachbarin meint, sie sei arbeiten. Die Frau wußte aber nicht, wo.«
»Hmm. Stimmt denn da das Alter?«
»Ja, sie dürfte so Mitte bis Ende Zwanzig sein, vielleicht auch etwas jünger. Die Nachbarin war sich nicht sicher.
Stefanie Westhoff wohnt dort erst seit einigen Monaten. Die beiden haben kaum Kontakt.«
»Also gut. Wenn dein Steiger, der – wie heißt der?«
»Hülshaus.«
»Also wenn der Hülshaus richtig liegt, ist das unsere Schwester. Wir fahren heute nachmittag noch mal zu ihr und zeigen ihr das hier.«
Brischinsky warf Baumann ein Foto zu. »Wenn das ihr Bruder ist, warten wir noch die Obduktion ab, und wenn wir dann noch einen Abschiedsbrief finden, ist der Fall so gut wie abgeschlossen.« Der Hauptkommissar lehnte sich zufrieden zurück. Das war wirklich gute Arbeit. Nachts einen Toten finden und am nächsten Nachmittag die Akte schon wieder schließen. So machte Polizeiarbeit wirklich Spaß.
Er verdonnerte Baumann mit einer gewissen Schadenfreude zum unverzüglichen Abfassen seines Berichtes und machte sich auf den Weg nach Hause, um bis zum Besuch bei Stefanie Westhoff noch eine Mütze Schlaf zu nehmen.
10
»So, meine Damen und Herren, die Zeit ist um. Bitte jetzt nicht mehr weiterschreiben. Denken Sie daran, Ihre Ausarbeitungen mit Ihrem Namen zu versehen, und geben Sie diese ab.« Der Assi sah sich fordernd im Hörsaal um. »Nun machen Sie schon, bitte.«
Jetzt, wo alles vorbei war, ging es Esch schon etwas besser.
Ihm war klar, daß er die Klausur mit großer Wahrscheinlichkeit in den Teich gesetzt hatte. Aber Wunder sollte es ja angeblich immer wieder geben, tröstete er sich. Und vielleicht – seine Ausführungen über die Beschlagnahmung der Hose fand er gar nicht so schlecht. Besonders der Hinweis auf das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Eigentum schien ihm gut gelungen. Die anderen sind bestimmt nicht darauf gekommen. Je länger Rainer allerdings darüber nachdachte, um so unsicherer wurde er.
Energisch schob er die Gedanken an die Klausur beiseite.
Jetzt hatte er sich eine kleine Stärkung verdient. Er sah auf die Uhr: kurz nach sechs. Wenn er wieder zu Hause war, würde er Stefanie anrufen und sie zum Essen einladen. Taxifahren mußte er heute nicht, so daß einem schönen Abend mit Stefanie eigentlich nichts im Wege stand. Na gut, sie mußte morgen arbeiten. Aber möglicherweise könnte auch sie…
Auf dem Parkplatz befanden sich um diese Zeit nur noch wenige Autos. Auch der BMW war weg. So konnte Esch ohne Probleme den Parkplatz verlassen und sich auf den Weg zur Autobahn machen. Der nur noch geringe Verkehr ermöglichte es ihm, in weniger als dreißig Minuten wieder in Recklinghausen zu sein.
In seiner Wohnung griff er zum Telefon, um Stefanie anzurufen. Es meldete sich der automatische Anrufbeantworter mit dem Hinweis, daß Stefanie leider nicht da sei und nach dem Pfeifton…
Einem ersten Impuls folgend, wollte er auflegen. Doch dann fiel ihm ein, daß seine Freundin ja angekündigt hatte, daß sie heute länger im Geschäft bleiben müsse als üblich. Er wartete also den Pfeifton ab und teilte Stefanie mit, daß sie, sofern sie Lust hätte, ihn bis etwa 21 Uhr im Mykonos, danach im Drübbelken treffen könne.
Ganz so, wie er sich das gedacht hatte, würde der Abend also nicht verlaufen. Aber wenn Stefanie noch käme? Rainer mußte nach dem Essen nicht unbedingt noch in eine Kneipe. Er konnte sich auch gut vorstellen, mit Stefanie zurück in seine Wohnung zu gehen, um dort gemeinsam eine angenehme Nacht zu verbringen.
In solche Überlegungen vertieft, verließ er seine Wohnung und machte sich auf den Weg zum Griechen.
11
Der Freitagnachmittagsverkehr in der City war nicht sehr stark, so daß sie schon nach knapp 15 Minuten die Westfalenstraße in Hochlarmark erreichten. Das Haus, vor dem Brischinsky und Baumann hielten, war im typischen Jugendstil der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts errichtet. Es war vollständig saniert und
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