Zweyer, Jan - Rainer Esch 02
die Grohlers vor der Tat noch gesehen hatten, hatten sich nicht gemeldet und die Phantombilder der Täter, die nach den Angaben der Augenzeugen angefertigt wurden, waren so uneinheitlich, dass bei einer Veröffentlichung die halbe männliche Bevölkerung Recklinghausens unter Tatverdacht geraten würde.
»Willste auch ‘n Wasser oder ein anderes Kaltgetränk?«, unterbrach Baumann Brischinskys Gedanken.
»Nee, danke«, antwortete er.
Baumann verschwand auf dem Hur, um einige Minuten später mit einem Kunststoffbecher in der Hand zurückzukehren. »Der Automat war kaputt«, griente er, »hat nichts gekostet.«
»Glückspilz«, brummte Brischinsky in einem Ton, der Baumann die Klappe halten ließ.
Auch die Vernehmung der Sekretärin Grohlers und seiner engsten Mitarbeiter bei der Firma EXIMCO durch die Berliner Kollegen brachte sie nicht weiter. Grohlers Sekretärin hatte ausgesagt, dass sie für ihren Chef einen Tag vor dem Mord, also am Dienstag, dem 19. August, bei einer Berliner Sixt-Vertretung den BMW der Fünferreihe für den nächsten Morgen reserviert hatte. Grohlers hatte am selben Abend das Büro mit dem Hinweis verlassen, er werde direkt von seiner Wohnung mit einem Taxi zum Verleiher fahren, den Wagen dort abholen und sich dann nach Dresden aufmachen, wo er einen Termin um zehn Uhr bei einem Lieferanten habe. Dieser hatte die Terminvereinbarung bestätigt. Grohlers war dort allerdings nie angekommen. Auf Nachfragen stellte sich heraus, dass Grohlers normalerweise einen Dienstwagen benutzte, der aber einen technischen Defekt hatte, so dass der Tote einen Mietwagen nehmen musste. Keiner seiner Mitarbeiter konnte sich erinnern, dass Grohlers besonders nervös oder verängstigt gewirkt hatte.
Da Grohlers seit einigen Jahren geschieden war und allein lebte, gab es niemanden, der Aussagen darüber machen konnte, was das Opfer am Abend vor der Tat getan hatte, ob er möglicherweise jemanden getroffen oder Telefongespräche geführt hatte. Warum Grohlers nicht nach Dresden, sondern nach Recklinghausen gefahren war, wusste anscheinend nur er selbst. Leider konnte er Brischinsky dazu nichts mehr sagen.
Der Hauptkommissar blätterte zum wiederholten Mal im Bericht der Berliner Kollegen über die Durchsuchung der Wohnung von Grohlers. Auch diese Aktion hatte absolut keine Anhaltspunkte über Täter oder Motiv ergeben. Die Beamten fanden zwar Aktenordner mit Schriftstücken der Staatsanwaltschaft Berlin über Grohlers Verfahren wegen Betrugsverdachtes zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland und Korrespondenz von Grohlers mit seinem Rechtsanwalt zur selben Sache, was aber nach Brischinskys Ansicht nicht verwunderlich war. Schließlich wurde gegen Grohlers ermittelt.
Sie tappten völlig im Dunkeln. Frustriert schmiss Brischinsky die Akten auf seinen Schreibtisch. Baumann, der mit kreisenden Fingern versuchte, Text über die Tastatur in seinen Computer einzugeben, sah erstaunt auf. »Auch nicht die beste Laune heute, oder?«
»Nee, hab ich wirklich nicht. Wie auch? Wir drehen uns im Fall Grohlers im Kreis. Ich weiß nicht mehr weiter. Jetzt kann uns nur noch der Zufall helfen. Übrigens, Baumann, hast du
‘ne Ahnung, woher die Bildzeitung die Informationen über den Taxifahrer hat?«
Vor dieser Frage hatte sich der Kommissar gefürchtet. »Nee, Chef, keine Ahnung.«
»Ich hoffe sehr, dass nicht du gequatscht hast. Da würden wir beide ein Problem kriegen. Ein großes Problem.«
Jemand klopfte an die Tür, die unmittelbar danach geöffnet wurde. In ihr Büro trat ein schlanker, junger Mann mit kurzen, dunklen Haaren, der die Anzugjacke seines italienischen Zweireihers leger über die Schulter geworfen hatte. Die Hemdsärmel trug er gerade so weit umgeschlagen, dass der Eindruck sportlicher Eleganz nicht gestört wurde. Der Krawattenknoten war leicht gelockert, ohne nachlässig zu wirken. Der Mann hätte in dem Aufzug in die Oper gehen können, und das bei Temperaturen von über fünfundzwanzig Grad.
»Morgen. Hauptkommissar Brischinsky?«
»Guten Morgen. Das bin ich. Und wer sind Sie?«, fragte Brischinsky zurück.
Der gut gekleidete Besucher griff in seine Anzugtasche und hielt Brischinsky einen Dienstausweis unter die Nase. »Staller.
Hauptkommissar Staller. BKA.« Staller steckte mit einer forschen Bewegung seinen Ausweis zurück in die Tasche.
»Wir haben Ihnen ein Fax geschickt. Schon vor einigen Tagen.
Ihre Berichte lassen jedoch sehr zu wünschen übrig, Brischinsky. Ich bin hier, um bei
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