Zweyer, Jan - Rainer Esch 02
der Preise auf dieser Insel nicht weiter verwunderte.
Da, wo vor gut zwei Stunden nur alte Holztüren und versteckte Kneipenschilder zu sehen gewesen waren, kamen nun die Eingänge von Bars zum Vorschein, aus denen laute Musik dröhnte. Das war nicht sein Ding, zumindest nicht heute Abend.
In einer Nebengasse fand er eine Kneipe, die auf den ersten Blick seinen Vorstellungen entsprach. Lou Reeds Songs drangen auf die Gasse. Esch ging hinein, setzte sich an die Theke und bestellte einen Weißwein. Es dauerte einige Zeit, bis er realisierte, dass er von einigen der männlichen Gäste ausgiebig gemustert wurde. Es dauerte noch länger, bis er feststellte, dass sich in dieser Bar nur männliche Gäste aufhielten. Und erst als sich einige männliche Gäste innig und zärtlich küssten, wurde Rainer klar, dass er in einer Schwulenpinte gelandet war. Obwohl ihm keiner der anderen Männer unsittliche Anträge machte, trank er seinen Wein recht hastig aus und verließ verunsichert die Kneipe, leicht spöttische Blicke auf sich spürend. Er ärgerte sich über seine Reaktion. Weglaufen hat auch was mit Ausgrenzung zu tun, dachte er. Linksintellektuelles Spießbürgertum.
In der nächsten Gasse hörte er Bluesmusik, die aus einer Bar namens Elan kam. Er betrat die Kneipe, fest entschlossen, diesen Laden nicht wegen des Publikums vorzeitig zu verlassen. An der Theke standen und saßen einige Griechen, die zwei Tische in der kleinen Bar waren noch frei. Esch wählte einen Platz am Fenster, von dem aus er das Treiben draußen beobachten konnte. Er lehnte sich zurück und ließ sich vom Geschehen in der Gasse mittragen.
»Hi, my name is Jera. How do you do?«
Esch schreckte zusammen und drehte sich in Richtung der Stimme, die er schon vorher trotz der Musik gehört hatte. Vor ihm stand ein hagerer, blonder junger Mann. Esch blickte sich kurz im Lokal um, das sich gefüllt hatte. Rechts am Tisch neben ihm saß ein Paar, etwa in seinem Alter und beobachtete belustigt und interessiert die Annäherung des Blonden.
»Thanks. I’m fine.«
»Where do you come from?«, fragte der Hagere.
»Germany.«
»Really? I’m a crazy little Austrian«, meinte Gerhard.
»That’s your problem«, antwortete Esch.
Das Paar neben ihm grinste.
Gerhard machte Anstalten, sich auf den Stuhl gegenüber zu setzen, verzichtete dann aber, als er Rainers etwas ungehaltenen Blick registrierte. Esch pflegte sich seine Trinkpartner selbst auszusuchen.
»Und jetzt entschuldige mal.«
Der Recklinghäuser stand auf und ging Richtung Toilette.
Gerhard zögerte keine Sekunde und quatschte an der Theke sein nächstes Opfer an.
Als Esch zurück an seinen Tisch kam, bemerkte die Frau vom Nachbartisch:
»Etwas aufdringlich der Kerl, was?«
»Das kannst du wohl sagen.«
Ihr Gespräch verstummte. Wenig später verließen die beiden die Bar, nicht ohne sich mit einem Kopfnicken von ihm verabschiedet zu haben.
Esch zahlte kurz darauf und machte sich auf den Weg zu seinem Hotel. In einem Supermarkt kurz vor seiner Unterkunft erstand er noch eine gekühlte Flasche Wein, die er auf dem Balkon seines Hotelzimmers mit Blick auf den beleuchteten Pool trotz kaltem Wind mit Genuss vernichtete. Bevor er ins Bett ging, schnappte er sich noch sein Handy, schaltete es ein und überlegte einen Moment, Stefanie anzurufen. Während er noch nachdachte, meldete das Gerät mit einem Piepen eine auf die Mailbox eingegangene Nachricht.
Esch wollte den Anruf abfragen, als ihm einfiel, dass er dafür seine Identifikationsnummer benötigen würde. Und die befand sich in seinem Adressbuch, das er in dem Chaos nach dem Einbruch nicht wieder gefunden hatte. Mit einem Schulterzucken machte er das Handy aus und legte sich schlafen.
13
Rüdiger Brischinsky saß an seinem Schreibtisch und rekapitulierte die bisherigen Ermittlungsergebnisse, die mehr als dürftig waren. Die Untersuchung des Mietwagens war ohne greifbares Resultat geblieben, das ballistische Gutachten bestätigte nur das, was Baumann ihm am Tag nach dem Mord schon erzählt hatte. Die Waffe selbst war nach der Computerauskunft des BKA bisher nicht bei einer Straftat eingesetzt worden. Von der Aktentasche und dem Handy gab es keine Spur, Brischinsky vermutete, dass die Täter beides an sich genommen hatten.
Unter dem Namen EXIMCO waren zwar zwei Handys registriert, zur fraglichen Zeit waren aber keine Telefonate über diese Geräte geführt worden, hatte ihnen die Betreibergesellschaft mitgeteilt. Weitere Zeugen,
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