Zweyer, Jan - Rainer Esch 02
Hammer, mit dem er leicht auf die Rückseite des Regals schlug.
Brischinsky sah fasziniert zu. »Und das?«
»Hohlräume. Der sucht nach Hohlräumen. Verstecke für etwas, was andere nicht finden sollen. Ich könnte Ihnen da Sachen erzählen…«
»Chef, hier ist was.« Der Polizist mit dem Mikrofon zeigte nach oben zur Deckenleuchte.
»Geradezu klassisch«, meinte Edding, nahm sich einen Stuhl und versuchte, die Lampe zu erreichen. »Geht nicht. Seht mal nach, ob ihr eine Leiter findet.«
Zwei Minuten später kam einer der Beamten mit einer Klappleiter zurück, stellte sie unter die Lampe und stieg hinauf. Er schob die Abdeckkappe zurück, griff vorsichtig hinein und rief nach unten: »Nummer eins.«
Der Beamte kletterte die Leiter wieder hinab und zeigte Edding die Wanze. Sie war etwa einen halben Zentimeter breit und einen lang. Der Berliner musterte das elektronische Bauteil. »XTX 328. Russisch. Kombigerät. Leistungsstarkes Mikro, sehen Sie hier…« Er zeigte auf eine Art Knopf, der gerade mal zwei, drei Millimeter Durchmesser hatte.
»Sendeleistung 0,1 Watt. Reicht für gute zweihundert Meter.
Spitzenmodell, nicht schlecht, nicht schlecht.«
Brischinsky staunte. Edding stieg in seinem Ansehen.
»Habt ihr schon das Telefon, nein? Gut, mach ich eben selbst.« Edding nahm den Telefonhörer und schraubte das Teil auseinander. »Fehlanzeige. Hätte mich aber auch gewundert.«
Der Kripobeamte löste mit einem
Kreuzschlitzschraubenzieher die Schrauben, die das Kunststoffgehäuse des Telefons auf dem Chassis hielten und musterte das Innere des Geräts. »Sieh an, sieh an. Da steckt er ja. Das kleine Ding hier kann noch mehr als nur Gespräche mithören. Es sendet den Wählimpuls an den Mithörer. So lässt sich, auch wenn sich der Angerufene namentlich nicht meldet, der Anschluss ermitteln. Das kriegen Sie nicht im Elektronikshop an der Ecke. Das ist High-Tech. Kostet unter Freunden so um die zehntausend. Feines Spielzeug, wirklich schöne Arbeit, finden Sie nicht auch?«
Brischinsky fühlte sich nicht veranlasst, auf die Frage zu antworten. An Edding war ein Technikfreak verloren gegangen. Den Recklinghäuser interessierte lebhaft, in welchem Bereich der Volkspolizei sein Kollege früher tätig gewesen war.
»Herr Grohlers hat ja eigentümlichen Umgang, wenn der ihm Wanzen in die Wohnung packt«, bemerkte Brischinsky.
»Finde ich auch, finde ich auch. Das alles spricht dafür, dass seine ehemaligen Freunde ihm nicht so recht getraut haben.
Und wenn sie Gespräche abgehört haben, die Grohlers mit dem BKA geführt hat, dann wussten sie, dass er auspacken wollte«, schlussfolgerte Edding.
»Kann es denn sein, dass Grohlers wirklich so dumm war, diese Gespräche von hier aus zu führen?«
»Was weiß ich. Aber dumme Verbrecher kenne ich viele, ich könnte Ihnen da eine Geschichte erzählen, also, da war…«
»Herr Edding, ich glaub, ich hab hier was.« Der Polizist, der mit der Untersuchung des Bücherregals beschäftigt war, zeigte auf einen leergeräumten Regalboden.
Edding untersuchte die Regalrückwand sorgfältig. »Gebt mir mal einen Holzspeitel.«
Einer reichte ihm das Werkzeug und der Hauptkommissar machte sich an der Rückwand zu schaffen. Nach einigen Versuchen gelang es ihm, die genau in das Regalfach eingepasste Rückwand herauszuziehen. Dahinter öffnete sich ein etwa 40 x 20 cm großes und rund 20 cm tiefes, säuberlich in die Wand gestemmtes und verputztes Loch.
»Sieh mal an«, meinte der Kripobeamte, »was haben wir denn da?« Er leuchtete mit einer Taschenlampe in das Versteck. »Leider leer. Welche Bücher standen in diesem Regalboden?«, fragte er den Polizisten, der das Versteck entdeckt hatte.
»Hier, diese Reihe.«
»Und die anderen Wälzer hier stammen aus den anderen Regalfächern?« Edding verglich zwei Bücher aus je einem Fach.
»Die aus diesem Fach«, er zeigte auf das mit dem Loch in der Außenwand dahinter, »sind deutlich weniger staubig. Das könnte damit zusammenhängen, dass der Benutzer entweder sehr gerne genau diese Werke las«, Edding sah auf die Titel,
»was ich mir aber bei diesem Autor nicht so ganz vorstellen kann. Hier sehen Sie mal…« Er hielt Brischinsky das Buch unter die Nase.
W. J. Lenin, las der, Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück. Zur Krise in unserer Partei.
»Oder aber«, setzte Edding fort, »unser Grohlers hat das Versteck noch kürzlich benutzt. Vielleicht sollten wir doch noch mal zur Firma EXIMCO fahren, wenn Sie
Weitere Kostenlose Bücher