Zweyer, Jan - Rainer Esch 02
und warf einen prüfenden Blick auf das Chaos auf seinem Schreibtisch.
»Nein«, Staller lachte etwas verlegen, »eigentlich nicht.« Als er den skeptischen Gesichtsausdruck Baumanns sah, ergänzte er hastig: »Na ja, gut. Ich geb’s ja zu.« Staller grinste Baumann verschwörerisch an. »Ich wollte mich über den Fortgang im Fall Grohlers informieren, Sie wissen ja, dass der uns wichtige Unterlagen übergeben wollte.«
»Ja, natürlich weiß ich das. Aber deswegen müssen Sie doch nicht bei Nacht und Nebel mein Büro durchwühlen.«
»Kommen Sie, Baumann. Jetzt dramatisieren Sie die Sache doch bitte nicht. Von durchwühlen bei Nacht und Nebel kann nun wirklich keine Rede sein. Ich war pünktlich zu Dienstbeginn in Ihrem Büro und wartete auf Sie. Haben Sie etwa verschlafen? Als Sie nicht kamen, habe ich, um mir die Zeit etwas zu vertreiben, Ihre Akten durchgeschaut, ob ich etwas zum Fall Grohlers finde.
Dagegen ist doch nicht einzuwenden, oder? Wir sind schließlich Kollegen.«
Wir haben denselben Brötchengeber, dachte Baumann, Kollegen sind wir deshalb noch lange nicht. Laut sagte er:
»Stimmt. Und zumindest ich bin es gewöhnt, dass Kollegen mich vorher fragen, wenn Sie an meine Klamotten gehen.
Übrigens, ich habe nicht verschlafen, wie Sie anzudeuten beliebten, sondern das endgültige ballistische Gutachten im Fall Grohlers abgeholt.« Er warf die Akte mit einer schwungvollen Bewegung auf seinen Schreibtisch.
»Darf ich mal sehen?«, fragte Staller und griff, ohne Baumanns Antwort abzuwarten, nach den Unterlagen.
Baumann legte seine Hand auf die Mappe und zögerte.
Staller war zwar nicht sein Vorgesetzter, stand aber vom Dienstgrad her über ihm. Außerdem hatte sie Kriminalrat Wunder aufgefordert, in allen Belangen mit dem BKA zusammenzuarbeiten.
»Bitte«, sagte Baumann knapp und schob Staller den Schnellhefter hinüber. »Tun Sie sich keinen Zwang an.«
Staller blätterte in den Papieren. »Ach, Herr Baumann«, sagte er freundlich, während er sich auf Brischinskys Stuhl niederließ, »wären Sie wohl so nett und würden uns einen Kaffee holen, ja? Ich geb einen aus.«
In diesem Moment wurde Baumann schlagartig klar, dass er einen Fehler gemacht hatte. Durch das Akzeptieren von Stallers Forderung hatte er sich untergeordnet und der BKA-Mensch nutzte das sofort aus. Spielchen gemacht, Spielchen verloren. Deshalb bin ich immer noch Kommissar und kein Hauptkommissar, dachte er resigniert. Er stand auf und wollte gerade das Büro verlassen, als Staller noch einen draufsetzte.
»Sagen Sie, Baumann, wo ist die vollständige Akte Grohlers?«
»In der obersten Schreibtischschublade links.« Seufzend machte sich der neue Mitarbeiter Stallers auf den Weg zum Kaffeeautomaten.
Als Baumann wieder die Tür zu seinem Büro öffnete, hatte sich Staller auf Brischinskys Platz ausgebreitet. Vor ihm lagen die Phantombilder, die auf Eschs Aussage hin entstanden waren, die Fotokopie von Eschs Führerschein, Tatortbilder, die schriftlichen Berichte der Ballistiker und der Spurensicherung.
Staller selbst hatte die Füße auf dem Schreibtisch und machte einen sehr zufriedenen Eindruck.
Er blickte von den Unterlagen hoch, als Baumann das Zimmer betrat. »Stellen Sie den Kaffee hier hin, Baumann.«
Der Kommissar platzierte den Kaffee an die angegebene Stelle.
»Was hat der gekostet?« Staller zog sein Portemonnaie aus der Gesäßtasche.
Baumann wehrte ab. »Nein, lassen Sie, das ist doch nicht der Rede wert.«
»Aber was. Ich weiß doch, wie hoch das Gehalt eines Kommissars ist. Reichen zwei Mark? Hier, nehmen Sie.« Er warf Baumann das Geldstück zu und der fing es auf.
Schon wieder ein Volltreffer. Baumann begann, Staller zu hassen.
Staller zeigte auf die Phantombilder der mutmaßlichen Täter.
»Sind Sie bezüglich der Fahndung schon weiter? Ich kann in den Unterlagen nichts darüber finden.«
»Nein, noch nicht. Wir haben zwar einige Hinweise erhalten, da ist aber noch nichts Konkretes darunter. Und Ihr Computer hat auch nichts hergegeben.«
»Kein Wunder, so ausgereift ist unsere
Bildabgleichungsfunktion noch nicht. Und bei der Qualität«, Staller schüttelte den Kopf, »da kann man nichts erwarten.
Wenn ich in der Haut von den beiden stecken würde, hätte ich mich längst abgesetzt. Denen muss doch der Boden hier viel zu heiß unter den Füßen geworden sein. Ich befürchte, die Fahndung bringt nichts mehr. Die können Sie genauso gut einstellen. Vielleicht über Interpol, aber auch da
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