Zweyer, Jan - Rainer Esch 02
verstehen, was ich meine.« Er grinste Brischinsky an.
»Ich verstehe sehr gut, was Sie meinen«, antwortete der Recklinghäuser Hauptkommissar. Und diesmal stimmte das sogar.
24
Nach gut sechs Stunden Zugfahrt traf Rainer Esch gegen ein Uhr nachmittags am Berliner Bahnhof Zoo ein. Er ging in die nächste Telefonzelle und suchte den Eintrag der Firma EXIMCO im Telefonbuch: Invalidenstraße 36.
Zehn Minuten später stand Rainer im Büro der Hotel-und Zimmervermittlung am Bahnhof.
»Tag. Ich suche ein möglichst preiswertes Zimmer.«
»Guten Tag. Kein Problem. Hier, hätten wir das Kant-Hotel, Nähe Ku’damm. In einer Parallelstraße. Einhundertneunzig inklusive Frühstück.«
Esch schluckte. »Haben Sie nicht was Preiswerteres?«
»Preiswerter? Was wollen Sie denn anlegen?« Der Mann hinter dem Schreibtisch musterte Esch neugierig.
»Na, so bis höchstens hundert Mark.«
»Hundert Mark?« Die Frage war ein einziger Vorwurf. »Tja, da weiß ich nicht…« Der Mann tippte hektisch auf seiner Computertastatur. »Ein Hotel wird’s dann aber nicht mehr sein.«
»Macht nichts.«
»Wie Sie wollen.« Mit einem raschen Seitenblick auf Esch malträtierte der Zimmervermittler erneut seinen Computer.
»Hier hätte ich was. Ist aber im Osten.«
»Kostet?«
»Achtzig. Mit Frühstück.«
»Nehm ich.«
»Einen Moment.« Der Mann griff zum Telefonhörer und sprach mit jemanden von der Pension.
»Sie haben Glück«, sagte er, nachdem er aufgelegt hatte. »Ist noch was frei. Hätte mich aber sonst auch gewundert.
Normalerweise will da keiner…«
Bevor der Vermittler seine Auffassung über diese Pension weiter ausbreiten konnte, fragte Esch: »Wo ist das?«
»Hohenschönhausen. Wie gesagt, im Osten. Die Rhinstraße.
Nummer 23.« Ein Drucker begann zu rattern. »Hier, geben Sie das in der Pension ab. Auf Wiedersehen.«
Vor dem Bahnhof stieg Esch in eine der wartenden Taxen und nannte die Anschrift.
»Hohenschönhausen?«, fragte der Fahrer, »jeht mich ja nix an, abba wat wolln Se denn da? Hohenschönhausen! Is im Osten. Da jibbet doch außer Platte un Ossis nischt zu sehen.
Icke würd da nich hinmachen. Abba is ja nich mein Problem, oder?« Der Kutscher schüttelte verständnislos den Kopf.
»Nee, das ist es wirklich nicht.«
»Sach ick ja.«
Damit war Rainers Unterhaltung mit seinem Berliner Kollegen beendet.
Die Pension war in einem siebenstöckigen Plattenbau in den Etagen zwei und drei untergebracht. Die Rezeption war direkt gegenüber dem Fahrstuhl. Esch gab seinen Zettel von der Vermittlung ab und erhielt, nachdem er den Meldezettel ausgefüllt hatte, seinen Türschlüssel. Das Zimmer lag am Ende des Flures auf derselben Etage wie die Rezeption. Es war einfach eingerichtet und verfügte über ein Telefon, das sogar intakt war. Auf dem Nachttisch stand ein kleiner Radiowecker, dessen Funktionsweise Esch sich erst nach mehrmaligem Ausprobieren erschloss. Das Bad war klein, aber recht sauber.
Er hatte schon schlechter übernachtet. Viel schlechter sogar, wenn er an seine letzte Nacht bei Cengiz dachte.
Nachdem er ausgepackt hatte, haute sich Rainer auf das Bett, suchte einen Radiosender, der halbwegs ansprechende Musik spielte, und blätterte in einem Veranstaltungsmagazin, das kostenlos an der Rezeption ausgelegen hatte.
Ihm wurde mit erschreckender Deutlichkeit klar, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, wie er nun weiter vorgehen sollte.
Er kannte die Adresse der Firma EXIMCO, das war aber schon alles. Selbstkritisch musste er sich eingestehen, dass seine Stippvisite in Berlin eine ziemlich blödsinnige Idee war. Er war völlig planlos in den Zug gestiegen, nicht zuletzt deshalb, weil ihn der verbale Widerstand seiner Freunde gegen sein spontan geäußertes Vorhaben geärgert hatte.
In seinem Inneren verspürte er ein dumpfes Hungergefühl und das Verlangen nach einem Glas Wein. Er brachte sich ächzend in eine vertikale Lage, schnappte sich seine Lederjacke und verließ das Zimmer, um der Berliner Innenstadt einen Besuch abzustatten. Der Besuch bei der Firma EXIMCO ließ sich ja schließlich auch auf morgen verschieben.
Und vielleicht war ihm bis dahin ja auch eingefallen, wie dieser Besuch am besten vonstatten gehen sollte.
25
Der Sitz der Firma EXIMCO lag in Berlin-Mitte, in unmittelbarer Nähe des neuen Regierungsviertels. Das Gebäude, in dem die Firma residierte, sah aus wie ein spätstalinistischer Verwaltungsbau, hätte aber genau so gut aus noch dunkleren Kapiteln
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