Zweyer, Jan - Rainer Esch 02
habe ich meine Zweifel.«
Baumann nickte zustimmend. Der Gedanke spukte schon seit längerem in seinem Kopf herum. Die zwei Verdächtigen waren bestimmt nicht mehr in Deutschland. Spätestens seit der Veröffentlichung der Bilder…
Staller störte seine Überlegungen. »Sagen Sie, dieser Esch hat ausgesagt, die Verdächtigen hätten ihn mehrmals auf Unterlagen angesprochen, die sie beim ihm vermuten?«
»Von Unterlagen war eigentlich nicht die Rede. Um was es sich handelt, wissen wir nicht.«
»Ja, klar. Und dieser Esch hat keine Ahnung, wovon die Verdächtigen sprechen?«
»Sagt er jedenfalls.«
»Und, glauben Sie ihm?«
»Eigentlich schon. Ja, ich glaube ihm.«
»Hmm. Es gibt mehrere Möglichkeiten. Erstens: Esch lügt und hat das Ganze erfunden.«
»Aber seine Bekannten von Mykonos haben die Geschichte von der Auseinandersetzung am Strand bestätigt und die Typen auf den Phantombildern wiedererkannt«, widersprach Baumann.
»Stimmt. Könnte aber trotzdem abgesprochen sein. Haben Sie schon die Tatzeugen befragt?«
Wenn Sie mich hier nicht aufhalten würden, hätte ich das schon erledigt, wollte Baumann erwidern, sagte jedoch: »Das werde ich heute noch erledigen.«
»Gut. Diese Hypothese können wir also noch nicht ganz ausschließen. Zweitens: Esch sagt die Wahrheit und die Verdächtigen vermuten tatsächlich etwas bei ihm, was er nicht hat. Dann hat Grohlers das Gesuchte entweder weggeworfen, versteckt…«
»… oder es einem Dritten gegeben«, unterbrach Baumann.
»So weit waren Hauptkommissar Brischinsky und ich«, er betonte das Wort ›ich‹, »auch schon.«
»Oder drittens: Esch lügt nur in einem Punkt. Er hat das Gesuchte und will es behalten. Auch möglich, nicht wahr?«, fragte Staller mit leicht ironischem Unterton. »Also gut Baumann. Ich habe genug gesehen. Sie informieren mich bitte sofort, wenn Sie etwas Neues erfahren. Und setzen Sie Ihren leicht cholerischen Chef von meinem Besuch in Kenntnis.
Sonst reißt er Ihnen den Kopf ab. Übrigens, wo steckt der überhaupt?«
Baumanns Selbstbewusstsein war zwar angeschlagen, aber noch nicht völlig zerstört. Deshalb antwortete er:
»Das weiß ich leider nicht, Herr Staller. Hauptkommissar Brischinsky meldet sich bei mir normalerweise nicht ab.«
»Na, ist ja auch egal.« Staller wandte sich zur Tür. »Und vergessen Sie nicht, mich zu informieren, Herr Baumann. Auf Wiedersehen.«
»Wiedersehen, Herr Staller.« Als der BKA-Mann das Büro verlassen hatte, schob Baumann ein gemurmeltes »Leck mich, du Arschloch« hinterher.
27
Unruhig wie ein gefangenes Raubtier im Zoo wartete Rainer Esch seit vier Uhr vor dem Café Kranzler auf Frau Hankel und zermarterte sich sein Hirn, woher sie seinen Namen kannte.
Ihm war klar, dass seine zurechtgestammelte Geschichte nicht von besonderer Intelligenz zeugte und völlig unglaubwürdig klang. Aber er konnte sich nicht daran erinnern, ihr einen Anhaltspunkt über seine wahre Identität gegeben zu haben.
Ob die Wirtin in der Pension – er verwarf diesen Gedanken sofort wieder. Natürlich hatte er den Meldezettel mit seinem richtigen Namen ausgefüllt, für eine Fälschung dieser Daten fehlten ihm die Nerven. Aber sie konnte eigentlich nicht die Quelle sein. Er hatte gestern gegen eins sein Zimmer bezogen, es etwa ein halbe Stunde später wieder verlassen und heute Morgen Frau Hankel kennen gelernt. Zeit war das zwar genug, um bei der Firma EXIMCO anzurufen. Aber ihm fiel sein Denkfehler sofort auf: Keiner wusste, was er in Berlin vorhatte. Ihm selbst war beim Verlassen der Pension ja noch nicht klar gewesen, was er denn eigentlich unternehmen wollte. Irgendetwas hatte er übersehen, er wusste nur leider nicht, was.
Kurz vor fünf entdeckte er die Sekretärin der EXIMCO-Geschäftsführung im nachmittäglichen Menschengewühl auf der anderen Straßenseite an der Fußgängerampel. Ungeduldig wartete Esch auf die Grünanzeige, um der jungen Frau entgegenzulaufen.
Sie trafen sich mitten auf dem Ku’damm.
»Sagen Sie, woher kennen Sie meinen Namen?«, stieß Esch ungeduldig hervor.
Die Sekretärin lächelte ein wenig und legte ihre ausgestreckten rechten Zeigefinger auf ihren Mund. »Psst.
Später. Kommen Sie.«
Sie griff Eschs Arm und dirigierte ihn in Richtung Café Kranzler. »Lassen Sie uns einen Kaffee trinken. Möchten Sie draußen sitzen oder drinnen?« Ohne seine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: »Bleiben wir draußen, ja? Ist ja noch recht mild. Sollen wir da drüben den
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