Zweyer, Jan - Rainer Esch 02
Tisch nehmen?« Sie zeigte auf einen etwas abseits stehenden Tisch weiter hinten am Gebäude.
Kaum hatten sie sich gesetzt, als die Kellnerin nach ihren Wünschen fragte. Frau Hankel bestellte ein Kännchen Kaffee, Esch dasselbe, dazu allerdings einen Brandy.
»Also, was ist?«, drängte er.
Wortlos griff sie zu ihrer Handtasche und legte die aktuelle Ausgabe der Bildzeitung auf den Tisch. »Bitte. Lassen Sie sich Zeit. Ich muss mich mal eben frisch machen.« Sie erhob sich und ging ins Innere des Cafés.
Esch griff zur Zeitung. War Grohlers BKA-Spitzel? stand auf der Titelseite in Großbuchstaben. Und darunter: Taxifahrer aus Recklinghausen verschwunden.
Rainer las weiter: Der junge Taxifahrer Rainer Esch (33) aus Recklinghausen (s. Foto links), der den ermordeten Berliner Geschäftsmann Jürgen Grohlers zuletzt lebend gesehen hat, ist seit Tagen verschwunden. Die Kripo fahndet fieberhaft.
Kripobeamter Heiner B.: Wir befürchten das Schlimmste. Wo ist Esch? Wer ihn gesehen hat, kann bei uns anrufen.
Bildredaktion Essen, 0201-445566.
Rainer starrte auf sein Konterfei, das ihn massiv an sein altes Führerscheinfoto erinnerte. Er fischte den Lappen aus seinem Portemonnaie. Kein Zweifel, das war sein Führerscheinfoto.
Woher hatten die Kerle sein Bild? Dann dämmerte es ihm.
Krawiecke, das Arschloch. Wenn er wieder zurück in Recklinghausen war, konnte der Mistkerl seinen Laden zumachen, dafür würde er schon sorgen.
Was weiß Esch? fragte die Bildzeitung. Hat er Kontakte zu den Tätern (Fotos rechts)? Warum ist Esch verschwunden?
Fragen über Fragen. Fakt ist: Es geht um Geld, um viel Geld sogar. Heiner B.: Dafür muss ein kleiner Beamter lange arbeiten.
Angewidert schmiss Esch die Zeitung zur Seite.
Schmierfinken, dachte er.
Die Sekretärin kehrte zurück an ihren Tisch. »Gelesen?«, wollte sie wissen.
»Das Wichtigste«, antwortete Esch.
»Das Foto von Ihnen ist zwar nicht das Beste, aber erstens habe ich den Artikel, wie Sie sich sicher denken können, sehr aufmerksam durchgelesen und zweitens hatte ich die Zeitung gerade erst aus der Hand gelegt, als Sie klopften. Die Ähnlichkeit ist mir sofort aufgefallen. Und dann noch Ihre eigenartige Geschichte; na, der Rest war weibliche Intuition.«
»Und? Haben Sie schon bei der Bild angerufen?«
»Nein. Werd ich auch nicht. Aber sagen Sie, was wollen Sie bei EXIMCO?«
»Warum sitzen Sie hier mit mir und trinken Kaffee?«, konterte Esch.
»Na gut. Zuerst ich. Dann aber Sie, abgemacht?«
»Nichts wird abgemacht. Wenn Sie wollen, erzählen Sie mir, was Sie zu sagen haben. Und dann entscheide ich, was ich Ihnen sage.«
»Einverstanden. Mein Name ist Carola Hankel, ich bin seit vier Jahren Sekretärin der Geschäftsführung der Firma EXIMCO. Damit ist leider zum Ende des Monats Schluss. Ich bin abgewickelt worden.«
»Was heißt das?«, wollte Esch wissen.
»Entlassen. Die Firma wird zum Jahresende aufgelöst.«
»Konkurs?«
»Das weiß ich nicht genau. Ich habe jedenfalls meine Kündigung. Wie ein Teil der anderen Kolleginnen und Kollegen übrigens auch. Was mit den anderen wird, das wissen wir noch nicht. Die hoffen natürlich, in einer anderen Firma unterzukommen. Sie können sich vorstellen, das kam für uns alle sehr plötzlich. Wir haben jahrelang unbezahlte Überstunden gemacht, auf Urlaub verzichtet, nur um der Firma zu helfen, und jetzt das.« Ihre Stimme klang bitter. »Zwei Tage nach der Ermordung von Herrn Grohlers hat sein Stellvertreter, Herr Rallinski, eine Betriebsversammlung einberufen und uns mitgeteilt, dass die Firma zum Jahresende nicht mehr existieren wird. Das hat uns völlig umgehauen. Bislang hieß es immer, das Unternehmen sei wirtschaftlich gesund.«
»Womit hat denn EXIMCO eigentlich das Geld verdient?«, fragte Esch.
»Ach, das lässt sich nicht so einfach beschreiben. Eigentlich mit allem, was sich verkaufen lässt. Wir haben zum Beispiel aus stillgelegten Braunkohletagebauen Großgeräte wie Bagger oder vollständige Bandanlagen gekauft und sie dann nach Weißrussland oder in die Ukraine mit Gewinn weiterverkauft.«
»Da muss die Firma doch über viel Personal verfügen?«
»I wo. Wir haben das Zeug ja nicht demontiert, sondern nur damit gehandelt. Zerlegt, verpackt und transportiert haben das Firmen in unserem Auftrag. Bei uns gab’s nur die Geschäftsführung, einen Ingenieur, der solche Geräte technisch beurteilt hat, und unsere Kalkulation, Buchhaltung und das Rechnungswesen. Grad mal zwölf
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