Zweyer, Jan - Rainer
Atracuriumbesilat?«
»Ja.«
Der Arzt blätterte in seinen Unterlagen. »Nein, haben wir nicht verabreicht. Das wäre auch sehr seltsam. Solche Medikamente werden normalerweise zur
Muskelentspannung…«
»Ich weiß, vielen Dank«, unterbrach ihn der Kommissar.
»Wie war denn Mühlenkamps genereller
Gesundheitszustand?«
»Das war wirklich erstaunlich. Vor einigen Monaten betrug seine Lebenserwartung nicht mehr als ein Jahr. Aber überraschend haben dann die Medikamente angeschlagen. Wir konnten sie später sogar absetzen. Sein Blutbild war wieder völlig normal.« Er lächelte. »Manchmal passieren eben doch noch Wunder.«
»Konnte man ihn als gesund bezeichnen?«
»Das nicht gerade. Krebs ist eine heimtückische Krankheit.
Man glaubt sie besiegt und dann… Aber sein Herz war stark, sein Kreislauf stabil und der Blutkrebs unter Kontrolle – der Patient hätte alt werden können.«
»Sagen Sie, haben Sie ihm kurz vor seinem Tod ein Medikament injiziert?«
Ein erneuter Blick in die Krankenakte. »Nein.«
»Könnte einer Ihrer Kollegen…?«
»Sie meinen in einer anderen Praxis?«
»Ja.«
»Möglich. Da müssten Sie vielleicht die Kollegen bemühen.«
Genau das hatte Baumann auch vor. Aber dazu müsste er die anderen kennen.
»Wer hat Mühlenkamp denn noch behandelt?«
Der Arzt zögerte mit einer Antwort. »Das kann ich Ihnen im Moment nicht sagen. Leider. Ich habe hier nur die Unterlagen aus dem letzten Quartal. Die vollständige Krankenakte liegt in unserem Archiv. Das ist im Keller. Da kann ich jetzt wirklich niemand hinunterschicken. Wenn Sie in einigen Tagen nochmal nachfragen würden? Außerdem möchte ich mich vorher bei der Ärztekammer erkundigen, ob ich Ihnen diese Auskünfte überhaupt geben darf. Aber wann das sein wird –
schließlich haben wir Urlaubs zeit.«
Baumann schluckte eine bissige Antwort hinunter. »So lange kann ich nicht warten.«
Er verabschiedete sich mit einem knappen Dank. Zurück im Wagen, setzte sich der Kommissar mit dem Präsidium in Verbindung und bat darum, dass bei der Krankenkasse höchst offiziell eine Liste der Ärzte angefordert wurde, die in den letzten drei Monaten Mühlenkamps Behandlungskosten abgerechnet hatten.
Dann machte er sich auf den Weg nach Herne.
38
»Sie habe ich ja lange nicht mehr gesehen.« Rainer stand auf, um seinen Besucher zu begrüßen.
Gott sei Dank, dachte Baumann. Wann immer dieser Esch in der Vergangenheit aufgetaucht war, hatte es Probleme gegeben.
»Was kann ich für Sie tun?«
»Wir ermitteln im Todesfall Mühlenkamp. Von seinem Bruder haben wir erfahren, dass Sie zusammen mit Frau Schollweg…«
Rainer beugte sich vor. »Gibt es etwas Neues? Ich habe zwar Akteneinsicht bei der Staatsanwaltschaft beantragt, aber leider bisher keinen Zugang bekommen. Wie ist denn der Stand Ihrer Ermittlungen?«
»Herr Esch, Sie wissen doch genau, dass ich Ihnen darüber keine Auskunft geben darf.« Und auch nicht will, fügte er in Gedanken hinzu. Und auf die Akteneinsicht kannst du lange warten. Solange Brischinsky kein übereifriger Staatsanwalt dazu zwang, würde der die Ermittlungsakte nicht herausrücken.
»Nun kommen Sie«, schleimte Esch. »Wir kennen uns doch schon so lange.«
Eben. »Ich kann Ihnen nur so viel sagen…«
»Ja?« Rainer schob sich noch weiter vor.
»… dass wir in alle Richtungen ermitteln. Reine Routine.«
Da war er wieder, dieser Satz.
»Was Sie nicht sagen.« Enttäuscht lehnte sich Esch in seinen Stuhl zurück. »Und was wollen Sie nun von mir?«
»Paul Mühlenkamp hat erwähnt, dass Sie und Frau Schollweg irgendwelche persönlichen Papiere aus der Wohnung seines Bruders entfernt haben.«
Der Anwalt griff zur Zigarettenschachtel. »Auch eine?«
Baumann lehnte ab.
»Stört Sie doch nicht, oder?«
»Eigentlich…«
»Danke für Ihr Verständnis.« Rainer steckte die Zigarette an und schickte eine Wolke Revalqualm in den Raum.
Baumann verzog das Gesicht. »Haben Sie?«
»Was?«
»Persönliche Papiere entfernt.«
»Wie sich das anhört. Als ob ich Diebstahl begangen hätte.«
Jetzt war es an Rainer, formell zu werden. »Herr Kommissar, bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass Frau Schollweg Erbin des Verstorbenen ist. Ich bin ihr Anwalt. Und Horst Mühlenkamp war ebenfalls mein Mandant. Wie im Übrigen nun auch sein Bruder Mandant ist. Er hat mich mit der Nebenklage beauftragt, sofern es zu einer Anklageerhebung kommt.«
»Ach, Sie rechnen mit einer Anklage? Dann gehen Sie von
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