Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
Vom Netzwerk:
denen das nicht genügt, die es für ihr Schicksal halten, uns für immer von der Erde zu tilgen. In zehn oder zwanzig oder vierzig Jahren wird einer aus dieser Minderheit bestimmt seine Chance erhalten, glaubst du nicht auch?«
    Die große Wahrscheinlichkeit eines Harmageddon war unsagbar schrecklich und deprimierend, aber noch immer überwog bei mir die Furcht vor einem baldigen Tod. Das Bewußtsein einer unmittelbar bevorstehenden Gefahr hatte sich zu einem ständigen unangenehmen Druck im Schädelinnern verdichtet, obwohl ich nach wie vor nicht wußte, was sich ereignen würde.
    Mir war vor Angst leicht übel.
    Mich fröstelte. Kalter Schweiß lief mir über den Rücken.
    Rya holte sich in der Küche einen weiteren Scotch.
    Ich stand auf. Trat ans Fenster. Schaute hinaus. Sah nichts. Kehrte zum Lehnstuhl zurück. Setzte mich auf die Kante. Hätte am liebsten geschrieen.
    Etwas kam immer näher...
    Als sie mit dem gefüllten Glas in der Hand zurückkam und sich auf ihren Stuhl fallen ließ, nach wie vor distanziert und niedergeschlagen, fragte ich: »Wie hast du das alles herausbekommen? Du mußt es mir sagen. Kannst du etwa ihre Gedanken lesen oder so was Ähnliches?«
    »Ja.«
    »Tatsächlich?«
    »Ein bißchen.«
    »Ich nehme nur ihre Ausstrahlung von Rage und Haß wahr.«
    »Ich kann ein wenig in sie hineinsehen«, berichtete Rya. »Nicht daß ich buchstäblich ihre Gedanken lesen könnte. Aber wenn ich sie anpeile, empfange ich Bilder... Visionen... Ich glaube, das meiste von dem, was ich sehe, sind... gespeicherte Erinnerungen ihrer Rasse... Dinge, die manche von ihnen bewußt nicht mehr wissen. Aber ehrlich gesagt — es ist mehr als nur das.«
    »Was? Mehr — auf welche Weise? Und was ist mit den Legenden, die du erwähnt hast?«
    Anstelle einer Antwort sagte sie unvermittelt: »Ich weiß, was du heute nacht gemacht hast.«
    »Was? Wovon redest du? Wie kannst du das wissen?«
    »Ich weiß es.«
    »Aber...«
    »Es ist ein vergebliches Unterfangen, Slim.«
    »Glaubst du?«
    »Sie sind unbesiegbar.«
    »Ich habe meinen Onkel Denton besiegt. Ich habe ihn umgebracht, bevor er meiner Familie noch mehr Leid zufügen konnte. Joel und ich haben heute nacht sechs von ihnen an einem Sabotageakt gehindert. Sie wollten das Riesenrad beschädigen, so daß es morgen eingestürzt wäre. Wir haben wahrscheinlich vielen Fahrgästen das Leben gerettet.«
    »Was spielt das schon für eine Rolle?« fragte sie. In ihrer Stimme schwang jetzt etwas Neues mit — glühender Eifer, ein düsterer Enthusiasmus. »Andere Trolle werden andere Menschen umbringen. Du kannst die Welt nicht retten. Du riskierst dein Leben, dein Glück, deine Gesundheit — und du kannst das Geschehen bestenfalls ein klein wenig hinauszögern. Du wirst den Krieg nicht gewinnen. Letzten Endes müssen unsere Dämonen uns besiegen. Es ist unvermeidlich. Es ist unser Schicksal — ein Schicksal, für das wir vor langer, langer Zeit die Weichen gestellt haben.«
    Ich begriff nicht, worauf sie hinauswollte. »Welche Alternative haben wir denn? Wenn wir nicht kämpfen, uns nicht schützen, ist unser Leben sinnlos. Du und ich können jederzeit vernichtet werden, wenn es ihnen so gefällt.«
    Sie stellte ihr Glas ab und rutschte bis zur Stuhlkante vor. »Es gibt eine andere Möglichkeit.«
    »Wovon sprichst du?«
    Ihre herrlichen Augen glänzten wie im Fieber, als sie meinen Blick erwiderte. »Slim, die meisten Menschen sind keinen Heller wert.«
    Ich blinzelte.
    »Die meisten Menschen sind Lügner, Betrüger, Ehebrecher, Diebe, Heuchler, Frömmler, Mörder usw. Sie gebrauchen und mißbrauchen einander genauso begierig, wie die Trolle uns mißbrauchen. Sie sind Dreckschweine, die es nicht wert sind, gerettet zu werden.«
    »Nein, nein, nein«, widersprach ich. »Nicht die meisten. Viele sind nichts wert, das stimmt, aber nicht die meisten, Rya.«
    »Meinen Erfahrungen nach ist kaum einer der Menschen besser als die Trolle.«
    »Um Gottes willen, deine Erfahrungen waren nicht typisch. Die Abner Kadys und Maralee Sweens dieser Welt sind eine kleine Minderheit. Ich kann verstehen, daß du einen anderen Eindruck hast, aber du hast eben nie meinen Vater oder meine Mutter, meine Schwestern und meine Großmutter kennengelernt. Es gibt mehr Anständigkeit als Grausamkeit auf der Welt. Vielleicht hätte ich das vor einer Woche oder auch gestern noch nicht gesagt, aber wenn ich dich jetzt so reden höre, wenn ich dich sagen höre, alles sei sinnlos, dann zweifle ich nicht

Weitere Kostenlose Bücher