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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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ich dadurch den schrecklichen Enthüllungen entfliehen. Aber das war nur ein kindlicher Wunschtraum. An der häßlichen Wirklichkeit war nicht zu rütteln. »O Gott...«
    »Wir hätten ein Leben vor uns«, flüsterte sie weinend. Sie spürte mein Entsetzen, und sie wußte genau, daß ich zu einem Friedensvertrag, wie sie ihn mit dem Feind geschlossen hatte, nie bereit sein würde. »Ein gemeinsames Leben... wie in den letzten Tagen... noch schöner... viel schöner... wir gegen die Welt... in völliger Sicherheit. Und die Trolle garantieren nicht nur meine Sicherheit, sondern auch meinen Erfolg, denn ich bin für sie eine sehr wertvolle Verbündete.
    Wie gesagt, viele der Menschen, die Trolle sehen können, landen entweder im Irrenhaus oder auf einem Jahrmarkt. Deshalb bin ich hier in einer idealen Position, um Seher zu entdecken. Und im Gegenzug helfen die Trolle mir, beruflich weiterzukommen. Beispielsweise... sie planten einen Unfall im Autoscooter...«
    »Und ich habe ihn verhindert«, sagte ich kalt.
    Sie war überrascht. »Oh... Na ja, das hätte ich mir eigentlich denken können. Jedenfalls — wenn dieser Unfall sich ereignet hätte, hätte der verletzte Fahrgast höchstwahrscheinlich den Inhaber des Autoscooters — Hal Dorsey — verklagt, und Dorsey wäre in finanzielle Schwierigkeiten geraten, und ich hätte ihm das Fahrgeschäft zu einem Schleuderpreis abkaufen und somit günstig zu einer neuen Konzession kommen können. Oh, Scheiße! Bitte, bitte hör mir zu! Ich weiß, was du jetzt denkst. Ich höre mich so... so kalt an.« Das stimmte. Trotz ihrer Tränen wirkte sie kalt, eiskalt. »Aber, Slim, du mußt wissen, daß Hal Dorsey ein Schwein ist, ein gemeines Dreckschwein. Niemand kann ihn leiden, denn er nutzt andere nur aus, und deshalb hätte ich nicht die geringsten Gewissensbisse, ihn zu ruinieren.«
    Obwohl ich sie nicht ansehen wollte, tat ich es. Obwohl ich nicht mit ihr sprechen wollte, tat ich es. »Wo ist der Unterschied zwischen dem Unheil, das die Trolle anrichten, und dem Unheil, zu dem du sie anstiftest?«
    »Ich habe dir doch gesagt, daß Hal Dorsey ein...«
    Ich hob die Stimme. »Wo ist der Unterschied zwischen dem Verhalten eines Mannes wie Abner Kady und deinem Verhalten gegenüber anderen Menschen? Du verrätst deinesgleichen...«
    Sie schluchzte jetzt. »Ich wollte doch nur... sicher sein. Wenigstens einmal in meinem Leben wollte ich sicher sein.«
    Ich liebte und haßte sie, bemitleidete und verabscheute sie. Ich wollte mein Leben mit ihr teilen, daran hatte sich nicht das geringste geändert, aber ich wußte, daß ich nicht einmal ihretwegen mein Gewissen betäuben konnte. Wenn ich an Abner Kady und an ihre geistig beschränkte Mutter dachte, an all die Schrecken ihrer Kindheit, mußte ich zugeben, daß ihre verächtliche Einstellung den Menschen gegenüber berechtigt war, daß sie der Gesellschaft wahrlich keinen Dank schuldete, und ich konnte verstehen, wie sie dazu gekommen war, mit den Trollen zu kollaborieren. Ich konnte es verstehen, ja fast verzeihen, aber ich konnte ihr Verhalten nicht billigen. In diesem schrecklichen Augenblick waren meine Gefühle für sie so kompliziert, so sehr verworren, daß der Gedanken an Selbstmord mir plötzlich seltsam tröstlich und erlösend vorkam, und ich wußte, daß ich jetzt zum erstenmal in meinem Leben selbst jenen Todeswunsch verspürte, der sie tagtäglich verfolgte. Jetzt begriff ich auch, warum sie auf dem Riesenrad mit solchem Enthusiasmus vom Atomkrieg gesprochen hatte. In Anbetracht der schier unerträglichen Last, die sie mit sich herumtrug, mußte ihr eine Welt ohne Abner Kadys, ohne Trolle und ohne den ganzen schmutzigen Schlamassel der menschlichen Zivilisation bisweilen als wundervoll befreiende, reinigende Möglichkeit vorkommen.
    »Du hast einen Handel mit dem Teufel gemacht«, sagte ich.
    »Wenn sie Teufel sind, müssen wir Götter sein, denn wir haben sie erschaffen.«
    »Das sind doch Spitzfindigkeiten!« schnauzte ich sie an. »Verdammt, wir führen hier doch keine akademische Diskussion.«
    Sie erwiderte darauf nichts, rollte sich nur wie ein Igel ein und schluchzte verzweifelt.
    Ich wollte aufspringen, die Tür öffnen, in die reine Nachtluft hinausrennen, rennen und nichts als rennen... Aber meine Seele schien sich nun wie mein Fleisch in Stein verwandelt zu haben, und dieses zusätzliche Gewicht machte es mir unmöglich aufzustehen.
    Nach einigen Minuten durchbrach ich das lähmende Schweigen. »Verdammt, und wie

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