Zwielicht
daran, daß mehr Gutes als Böses in den Menschen steckt. Weil... weil... na ja, es muß einfach so sein.«
»Hör zu«, sagte sie, und ihre betörenden Augen waren strahlend blau, wild und flehend, »wir können nur auf ein wenig Glück im kleinen Freundeskreis hoffen, mit einigen wenigen Menschen, die wir lieben — und die ganze übrige Welt mag zur Hölle fahren! Bitte, bitte, Slim, denk darüber nach! Es ist erstaunlich, daß wir einander gefunden haben. Es ist ein Wunder. Ich hätte nie geglaubt, daß mir so etwas je widerfahren würde. Wir sind uns so ähnlich, daß sich, wenn wir schlafen, sogar bestimmte Gehirnwellen überlappen... eine psychische Übereinstimmung, ob wir uns nun lieben oder ob wir schlafen... Deshalb schenkt der Sex uns vollkommene Erfüllung, und deshalb haben wir sogar dieselben Träume! Wir sind füreinander bestimmt, und das Wichtigste, das Allerwichtigste auf der Welt ist jetzt, daß wir unser ganzes Leben zusammen verbringen können.«
»Ja«, sagte ich. »Das sind auch meine Gefühle.«
»Dann mußt du deinen Kreuzzug aufgeben. Hör auf, die Welt retten zu wollen. Hör auf, diese wahnsinnigen Risiken einzugehen. Laß die Trolle tun, was sie tun müssen, und wir werden einfach friedlich unser eigenes Leben leben.«
»Aber das ist es ja gerade! Wir können nicht in Frieden leben. Es wird uns nicht retten, wenn wir sie ignorieren. Früher oder später werden sie uns umschnüffeln und uns zu Leibe rücken, weil sie unser Leid genießen, weil sie unseren Schmerz gierig schlürfen...«
»Slim, warte, warte, hör zu.« Sie strotzte jetzt von nervöser Energie, sprang auf, ging zum Fenster, atmete die erfrischende Nachtluft ein, wandte sich wieder mir zu und sagte: »Du stimmst mir zu, daß unser gemeinsames Leben an erster Stelle steht, wichtiger als alles andere ist. Was würdest du dazu sagen, wenn ich dir... eine Möglichkeit zur Koexistenz mit den Trollen zeigen könnte, eine Möglichkeit, deinen Kreuzzug zu beenden, ohne befürchten zu müssen, daß sie dir und mir jemals etwas zuleide tun?«
»Wie?«
Sie zögerte.
»Rya?«
»Es ist der einzige Ausweg, Slim.«
»Was?«
»Es ist der einzige vernünftige Weg.«
»Um Himmelswillen, so sag mir doch endlich, was du meinst!«
Sie runzelte die Stirn, mied meinen Blick, setzte zum Sprechen an, zögerte wieder, murmelte ›Scheiße!‹ und schleuderte plötzlich ihr Glas quer durchs Zimmer. Eiswürfel flogen heraus und zerbarsten an Möbeln und auf dem Teppich. Das Glas zersplitterte an der Wand.
Bestürzt sprang ich auf und blieb auch dann noch stehen, als sie sich wieder setzte und mir bedeutete, ebenfalls Platz zu nehmen.
Sie holte tief Luft.
»Ich will, daß du mir zuhörst, ohne mich zu unterbrechen«, sagte sie. »Hör mich an und versuch zu verstehen. Ich habe eine Möglichkeit zur Koexistenz mit ihnen gefunden. Sie lassen mich in Ruhe. Weißt du, im Waisenhaus und auch später wurde mir klar, daß wir gegen sie nicht gewinnen können. Sie haben alle Vorteile auf ihrer Seite. Ich bin weggerannt, aber es gibt überall Trolle, nicht nur im Waisenhaus, und man kann ihnen nicht entrinnen, wohin man auch gehen mag. Es ist sinnlos. Deshalb bin ich ein kalkuliertes Risiko eingegangen, habe Kontakt mit ihnen aufgenommen und ihnen gesagt, daß ich sie sehen...«
» Was? «
»Unterbrich mich nicht!« sagte sie scharf. »Das ist... das ist sehr schwer... es wird verdammt schwer sein... und ich will es so schnell wie möglich hinter mich bringen; also halt den Mund und laß mich reden. Ich habe einem der Trolle von meiner Fähigkeit erzählt, die eine Mutation deiner Gabe ist, eine Folge jenes Atomkrieges, denn den Trollen zufolge gab es in der früheren Zivilisation keine Menschen mit irgendwelchen übersinnlichen Kräften — Hellseherei, Telekinese, nichts davon. Es gibt ja auch heute nicht viele, aber damals gab es gar keine. Nachdem jener Krieg ja von den Trollen entfacht wurde... nachdem sie die Bomben und den radioaktiven Niederschlag über uns gebracht haben... könnte man fast sagen, daß sie Menschen wie dich und mich erschaffen haben. Wir haben unsere besonderen Gaben ihnen zu verdanken. Aber wie dem auch immer sein mag, ich erzählte ihnen jedenfalls, daß ich durch ihre menschliche Hülle hindurchsehen kann, zu dem... ich weiß nicht so recht... zu dem Troll-Potential in ihnen...«
»Du hast mit ihnen gesprochen, und sie haben dir ihre... ihre Legenden erzählt. Ist es so gewesen?«
»Nicht ganz. Sie haben mir nicht
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