Zwielicht
sie so interessant und sympathisch, daß wir Dämonen nach eigenem Entwurf erschufen und die Hölle auf Erden nachbildeten.«
Falls es einen Gott gab, konnte ich jetzt fast verstehen — so gut wie nie zuvor —, warum Er uns Schmerz und Leid schickte. Ich stellte mir vor, daß Er mit Abscheu auf die Erde hinabblickte und sich über den Mißbrauch empörte, den wir mit der Erde und dem Leben, das Er uns geschenkt hatte, trieben. Ich hörte förmlich Seine Stimme: »Also gut, ihr undankbaren Geschöpfe, also gut! Ihr liebt es, alles zu zerstören? Ihr liebt es, einander zu verletzen? Das macht euch soviel Spaß, daß ihr eure eigenen Teufel erschafft und aufeinander loslaßt? Nun gut! Sei es darum! Der Herr wird euch Freude bereiten. Hier! Nehmt diese Gaben! Da habt ihr Hirntumor und Kinderlähmung und multiple Sklerose! Da habt ihr Erdbeben und Flutkatastrophen! Da habt ihr... schlechte Drüsen! Gefällt es euch? Hmmm?«
Laut äußerte ich: »Irgendwie haben die Trolle jene frühere Zivilisation zerstört, sie total ausgelöscht.«
Sie nickte. »Es brauchte seine Zeit. Einige Jahrzehnte. Aber den Legenden zufolge stiegen einige Trolle schließlich in die obersten Gesellschaftsschichten auf und erlangten so große politische Macht, daß sie einen Atomkrieg entfesseln konnten.«
Und das taten sie — jenen mysteriösen ›Legenden‹ zufolge — auch tatsächlich. Es war ihnen egal, daß die meisten von ihnen zusammen mit den Menschen umkommen würden. Sie hatten keinen anderen Lebenszweck als unsere Vernichtung, und sogar, wenn es ihren eigenen schnellen Tod bedeutete, stand es nicht in ihrer Macht, ihr Schicksal zu wenden. Die Raketen flogen. Keine einzige wurde zurückgehalten. Städte verglühten. Tausende und Abertausende unglaublich starker Atombomben detonierten und entfesselten derartige Kräfte, daß mit der Erdkruste etwas geschah oder aber das Magnetfeld sich veränderte und eine Umpolung stattfand. Jedenfalls kam es weltweit zu Katastrophen ungeheuren Ausmaßes. Unvorstellbare Erdbeben. Riesige Landmassen stürzten in die Meere. Vulkane brachen überall aus. Jener Weltenbrand und die nachfolgende Eiszeit hatten alle Spuren einer Zivilisation ausgelöscht, deren strahlendes Licht einst alle Kontinente erhellt hatte. Mehr Trolle als Menschen hatten die Katastrophe überlebt, weil sie abgehärteter waren, die geborenen Kämpfer. Die wenigen überlebenden Menschen kehrten in Höhlen zurück und verwilderten, und ihr Erbe geriet im grausamen Alltag allmählich völlig in Vergessenheit. Obwohl die Trolle uns nicht vergaßen — und nie vergessen würden —, vergaßen wir die Trolle zusammen mit allem übrigen, und in späteren Zeiten rührten unsere seltenen Begegnungen mit den Trollen in ihrer wahren Monstergestalt zu allen möglichen abergläubischen Vorstellungen, zu den verschiedensten Märchen und Legenden über verwandlungsfähige übernatürliche Wesen.
»Jetzt haben wir uns wieder aus dem Dreck herausgerobbt«, sagte Rya traurig, »wir haben eine neue Zivilisation geschaffen, und wir verfügen wieder über die Mittel, die Erde zu vernichten...«
»...und eines Tages werden die Trolle auf den Knopf drücken, falls sie eine Möglichkeit dazu haben«, vollendete ich ihren Gedankengang.
»Ja«, sagte sie. »Ich glaube, daß sie es tun werden. Zwar sind sie nicht mehr so fantastische Kämpfer wie in jener früheren Zivilisation. Man kann sie im Nahkampf jetzt leichter besiegen, und sie sind auch leichter hinters Licht zu fuhren. Sie haben sich verändert und weiterentwickelt, speziell durch den Atomregen, aber auch auf natürliche Weise, durch das Verstreichen enormer Zeiträume. Die radioaktive Verseuchung raubte vielen wieder die Fruchtbarkeit, die sie bei der ursprünglichen Mutation erlangt hatten, und nur deshalb haben sie die Erde noch nicht völlig überflutet. Auch ihre Vernichtungswut hat etwas nachgelassen. Viele von ihnen verabscheuen den Gedanken an einen weiteren Atomkrieg weltweiten Ausmaßes. Weißt du, sie sind sehr langlebig; manche von ihnen werden 1500 Jahre alt, und deshalb sind sie nicht durch so viele Generationen wie wir von jenem Weltenbrand entfernt. In ihrer von den Vorfahren ererbten Überlieferung ist die Katastrophe lebendig geblieben. Aber obwohl die meisten von ihnen sich mit dem gegenwärtigen Arrangement wahrscheinlich zufriedengeben würden — uns zu jagen und zu töten, so als wären wir nichts anderes als Tiere in ihrem privaten Wildrevier —, gibt es doch einige,
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