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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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enteilten, so als hätte man sie mir irgendwelchen geheimen Missionen betraut.
    Die Frau hatte sich angezogen. Ihre schreckliche Erfahrung hatte sie offenbar nicht um den Verstand gebracht, obwohl sie mit gebeugten Schultern dasaß und nervös die Hände in ihrem Schoß bewegte.
    Ich zog einen Polsterstuhl mit Petit-Point-Stickerei heran, setzte mich neben Rya und griff nach ihrer Hand. Sie zitterte.
    »Was hast du ihr erzählt?« fragte ich.
    »Einiges über die Trolle... wer sie sind, woher sie stammen. Aber sie weiß nicht, wer wir sind, warum wir die Trolle sehen können, während sie selbst dazu nicht imstande ist. Das kannst du ihr jetzt erklären.«
    Die rothaarige Frau hieß Cathy Osborn. Sie war 31, außerordentliche Professorin für Literatur an der Barnard Universität in New York City. Aufgewachsen war sie in einer Kleinstadt 120 km westlich von Yontsdown. Kürzlich war ihr Vater nach einem leichten Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert worden, und Cathy hatte sich an der Universität beurlauben lassen, um ihn zu besuchen. Inzwischen war er auf dem Wege der Besserung, und Cathy wollte nach New York zurückkehren. Trotz der mitunter katastrophalen winterlichen Straßenverhältnisse im Gebirge war sie sehr gut vorangekommen — bis zum östlichen Stadtrand von Yontsdown. Als Literaturfan besaß sie viel Fantasie — sagte sie —, war aufgeschlossen und hatte einiges an Fantasy- und Horrorgeschichten gelesen: Dracula, Frankenstein, einige Romane von Algernon Blackwood und H. P. Lovecraft, eine Erzählung von jemandem namens Sturgeon über einen blutsaugenden Teddybären. Sie war also — wie sie sagte — nicht gänzlich unvorbereitet auf fantastische und makabre Geschehnisse. Doch obwohl ihr Monster aus der Literatur hinreichend bekannt waren und sie vorhin die grauenhaften Unholde mit eigenen Augen gesehen hatte, sträubte sich ihr Verstand, Ryas Erklärung zu akzeptieren, daß es sich bei den Monstern um genetisch gezüchtete Soldaten einer vergessenen Zivilisation handelte. »Ich weiß, daß ich nicht verrückt bin«, sagte sie, »aber ich frage mich dennoch, ob ich es vielleicht doch bin; und ich weiß genau, daß ich gesehen habe, wie diese Wesen ihre Erscheinungsform veränderten. Aber ich frage mich trotzdem, ob ich mir das alles nur eingebildet habe, ob ich vielleicht unter Halluzinationen leide, obwohl ich mir sicher bin, daß das nicht der Fall ist. Und dann auch noch diese Geschichte über eine frühere Zivilisation, die bei einem Atomkrieg vernichtet wurde... Das alles ist einfach zuviel für mich, und jetzt schwafle ich dummes Zeug daher — so ist es doch? —, aber ich habe einfach das Gefühl, als stünde mein Gehirn vor einem Kurzschluß...«
    Ich machte die Sache für sie nicht gerade leichter, indem ich ihr auch noch von Zwielicht-Augen, von Ryas schwächeren übersinnlichen Kräften und von dem Krieg erzählte, den wir gegen die Trolle führen wollten.
    Ihre grünen Augen wurden glasig, aber nicht etwa, weil sie einfach abschaltete oder die Informationen nicht mehr aufnehmen konnte. Im Gegenteil, sie hatte einen Punkt erreicht, an dem ihr unkompliziertes rationales Weltbild so total — und mit solcher Kraft — auf den Kopf gestellt und umgestülpt wurde, daß ihr Widerstand gegen einen Glauben an ›Unmögliches‹ in sich zusammenbrach. Sie war dermaßen überwältigt, daß sie nichts mehr für ausgeschlossen hielt. Und ihre glasigen Augen waren nur ein Anzeichen dafür, wie blitzartig ihr geschulter Geist arbeitete, um all die neuen Erkenntnisse in ihr drastisch verändertes Realitätsverständnis einzufügen.
    Als ich geendet hatte, blinzelte sie und schüttelte fassungslos den Kopf. »Aber jetzt... Wie soll ich jetzt weiterhin Literatur unterrichten? Wie soll ich ein normales Leben führen können, nachdem ich das alles jetzt weiß?«
    Ich schaute Rya hilfesuchend an, in der Hoffnung, daß sie eine Antwort darauf wüßte. »Das wird wahrscheinlich nicht möglich sein«, mußte sie zugeben.
    Cathy runzelte die Stirn und wollte etwas sagen, kam aber nicht mehr dazu, denn die Stille des gemütlichen Wohnzimmers wurde plötzlich von einem schrillen Schrei durchbrochen. Er hörte sich teils wie das Weinen eines Kindes an, teils wie das Quieken eines Schweines, teils wie das Zirpen eines Insekts. Es war kein Geräusch, das ich mit Trollen assoziierte, aber es war auch weder der Schrei eines Menschen noch irgendeines mir bekannten Tieres.
    Ich wußte, daß diese Leute nicht von den

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