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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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versetzt, gedemütigt, gequält und getötet.
    Nicht nur Frauen. Auch Männer. Und Kinder.
    Ich empfing plötzlich widerliche psychische Impressionen von früheren Verbrechen. Die Wände strahlten grauenhafte Bilder aus, die sich auf der Scheibe zu projizieren schienen, so als wäre das Fenster eine Filmleinwand.
    Mit enormer Willenskraft verbannte ich diese Visionen rasch. Ich durfte mich jetzt nicht von ihnen überwältigen lassen, denn sie würden mich derart schwächen, daß ich dann außerstande wäre, der Frau zu helfen.
    Ich wandte mich vom Fenster ab und schlich auf die Hausecke zu, ohne auch nur eine Sekunde daran zu zweifeln, daß Rya mir folgen würde. Beim Gehen zog ich meine Handschuhe aus und stopfte sie in die Manteltaschen, denn sie hätten mich beim Messerwerfen behindert.
    Auf der Rückseite des Hauses traf uns der Wind mit voller Wucht — eine regelrechte Windlawine, die vom Berg hinabrollte. Innerhalb weniger Sekunden hatte ich eiskalte Hände, und ich wußte, daß ich schnell ins warme Haus gelangen mußte, wenn ich nicht mit klammen Fingern einen Fehlwurf riskieren wollte.
    Die Stufen zur hinteren Veranda waren vereist; sie knarrten unter unseren Stiefeln.
    Am Geländer hingen Eiszapfen.
    Auch der Verandaboden protestierte gegen unser Gewicht.
    Der Hintereingang war etwas links von der Hausmitte. Ich öffnete behutsam die Sturmtür aus Glas und Aluminium. Ihre mit Federn versehenen Angeln quietschten leise.
    Auch die eigentliche Hintertür war nicht verschlossen. Trolle haben für Schlösser wenig Verwendung, denn bei ihrer ursprünglichen Züchtung im Labor wurden sie als weitgehend furchtlose Krieger konzipiert, und vor uns fürchten sie sich kaum. Der Jäger fürchtet sich nicht vor dem Hasen.
    Rya und ich betraten eine ganz normale Küche, die direkt aus Good Housekeeping hätte stammen können. Die warme Luft duftete nach Schokolade, Bratäpfeln und Zimt. Gerade diese Normalität ließ den Raum um so unheimlicher erscheinen.
    Auf einer Arbeitsplatte rechts von der Tür stand eine hausgemachte Pastete, daneben ein großer Teller mit Plätzchen. Ich hatte Trolle — in menschlicher Tarnung — unzählige Male in Restaurants essen sehen. Ich wußte natürlich, daß sie sich wie alle Lebewesen ernähren mußten, aber ich hatte sie mir nie bei so prosaischen Tätigkeiten wie Kochen und Backen vorgestellt. Schließlich waren sie so etwas wie Vampire, die sich von unserem physischen und psychischen Schmerz ernährten, und in Anbetracht des reichhaltigen Menüs menschlicher Qualen, das ihnen ständig zur Verfügung stand, hatte ich geglaubt, sie brauchten keine andere Nahrung. Und nicht einmal im Traum hätte ich es für möglich gehalten, daß sie sich abends zu Hause gemütlich an einen gedeckten Tisch setzten und von ihrem Tagwerk ausruhten — von Quälereien und Blutvergießen. Diese Vorstellung drehte mir fast den Magen um.
    Aus dem unmöblierten Raum, der an die Küche grenzte, war weiteres Dröhnen und Plumpsen und Kratzen zu hören.
    Die unglückselige Frau war offensichtlich über das Stadium des Schreiens hinaus, denn ich hörte sie jetzt mit zitternder Stimme inbrünstig beten.
    Ich öffnete den Reißverschluß meines Mantels, schlüpfte aus den Ärmeln und ließ ihn leise zu Boden gleiten, weil er mich beim Werfen behindert hätte.
    Außer der Hintertür zur Veranda gab es in der großen Küche einen offenen Durchgang zur Eingangshalle sowie drei geschlossene Türen. Ich nahm an, daß eine der Türen in den Keller führte, die zweite in eine Speisekammer. Die dritte war möglicherweise ein Eingang zu dem Schlachthaus, wo der Dämon sich mit einem wehrlosen Opfer amüsierte. Das Risiko, aufs Geratewohl Türen zu öffnen und dabei Lärm zu machen, war mir jedoch zu groß; ich mußte den richtigen Raum auf Anhieb finden. Deshalb durchquerten wir leise die Küche und schlichen durch den Durchgang in die Halle. Die erste Tür zur Linken war halb geöffnet; sie führte ins Schlachthaus.
    Ich befürchtete, daß die Frau mich sehen würde, wenn ich von der Schwelle aus vorsichtig ins Zimmer spähte, und daß ihre Reaktion den Troll alarmieren würde. Deshalb stürzte ich ins Zimmer, ohne zu wissen, wo der Troll gerade war. Die Tür krachte gegen die Wand, als ich sie mit Wucht aufstieß.
    Der Troll, der sich über die Frau gebeugt hatte, wirbelte zu mir herum und stieß vor Überraschung zischend die Luft aus.
    Das Messer an der Klinge haltend, holte ich zum Wurf aus.
    Der Troll machte einen

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