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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Ecke gestellt hatte, unser Nachbar Horton Bluett.
    Growler war bei ihm. Ich sah die leuchtenden Hundeaugen den Bruchteil einer Sekunde zu spät, sonst hätte ich nicht auf den Lichtschalter gedrückt.
    Rya schnappte nach Luft.
    Wir trugen Pistolen mit Schalldämpfern in unseren Skijacken, und ich hatte außerdem wie immer mein Messer im Stiefel; aber jeder Versuch, diese Waffen zu benutzen, hätte unseren sofortigen Tod zur Folge gehabt.
    Horton zielte nämlich mit der Schrotflinte auf uns, die Slick Eddy mir in Gibtown besorgt hatte.
    Horton hatte auch die meisten anderen Gegenstände gefunden, die wir sorgfältig versteckt hatten, was darauf hindeutete, daß er den größten Teil des Nachmittags mit der Durchsuchung des Hauses beschäftigt gewesen war. Vor ihm auf dem Boden lagen Schachteln mit Munition, die Maschinenpistole, der Plastiksprengstoff, Zeitzünder, Spritzen und Ampullen.
    Hortons Gesicht sah jetzt älter aus als bei unserer ersten Begegnung am Vormittag. Er räusperte sich und fragte: »Wer zum Teufel seid ihr eigentlich?«

26 -  Lebenslängliche Tarnung
     
    Mit seinen 74 Jahren war Horton Bluett vom Alter nicht gebeugt; er fürchtete sich auch nicht vor dem nahen Grab. Wie er so in der Ecke saß, seinen treuen Hund neben sich, wirkte er direkt furchterregend. Er war ein zäher Bursche, der über Schicksalsschläge nicht klagte, sondern damit fertig zu werden versuchte, der alles annahm, was das Leben ihm zuwarf, dann ausspuckte, was ihm nicht schmeckte, und den Rest verwertete, um stärker zu werden. Seine Stimme schwankte nicht, die Hand, die auf dem Abzug der Schrotflinte lag, zitterte nicht, und er zwinkerte nicht nervös mit den Augen. Ich hätte es viel lieber mit den meisten Zwanzigjährigen zu tun gehabt als mit ihm.
    »Wer?« wiederholte er. »Wer seid ihr? Jedenfalls keine Geologiestudenten auf Materialsuche für ihre Dissertationen. Das sind Märchen. Wer seid ihr wirklich, und was macht ihr hier? Setzt euch beide auf die Bettkante, laßt eure Hände ganz ruhig im Schoß liegen und seht mich an. So ist's gut. Und unterlaßt hastige Bewegungen, verstanden? So, und jetzt erzählt mir alles, was ihr zu berichten habt.«
    Trotz seines offenbar starken Verdachts, der ihn sogar veranlaßt hatte, heimlich ins Haus einzudringen, und trotz all der versteckten Sachen, die er gefunden hatte, mochte Horton uns noch immer. Er war äußerst mißtrauisch, aber er hielt eine freundschaftliche Beziehung noch nicht für ausgeschlossen, das spürte ich. In Anbetracht der Umstände wunderte mich diese relativ wohlwollende Einstellung, aber ich fand sie im Verhalten des Hundes bestätigt. Growler saß wachsam da, war jedoch nicht feindselig und knurrte uns nicht an. Gewiß, Horton würde uns erschießen, wenn wir ihn anzugreifen versuchten. Aber er würde es nur höchst ungern tun.
    Rya und ich erzählten ihm buchstäblich alles über uns und die Gründe, die uns nach Yontsdown geführt hatten. Als wir ihm von den als Menschen getarnten Trollen berichteten, die in einer früheren Zivilisation als Krieger genetisch gezüchtet worden waren, blinzelte Horton und murmelte ein ums andere Mal: »Du lieber Himmel!« Fast genauso oft rief er »Mich laust der Affe!« Er stellte gezielte Fragen zu den unwahrscheinlichsten Teilen unserer Geschichte — aber er schien weder an unseren Worten zu zweifeln noch uns für verrückt zu halten.
    Seine Unerschütterlichkeit war ziemlich entnervend. Die Leute auf dem Land rühmen sich oft ihrer Ruhe und Beherrschung, die den meisten Städtern abgeht. Aber das hier war schon ein ziemlich krasser Fall von Gleichmut.
    Eine Stunde später, als wir nichts mehr zu berichten hatten, seufzte Horton und legte die Schrotflinte neben seinem Stuhl auf den Boden.
    Sofort ließ auch Growlers Wachsamkeit nach.
    Rya und ich entspannten uns ebenfalls. Sie war nervöser als ich gewesen, vielleicht weil sie die Aura von Wohlwollen, die Horton umgab, nicht wahrnehmen konnte. Vorsichtiges Wohlwollen, aber immerhin Wohlwollen.
    »Als ihr euch heute morgen vorgestellt und mir eure Hilfe angeboten habt, wußte ich sofort, daß ihr irgendwie anders seid als andere Menschen.«
    »Woher?« fragte Rya.
    »Ich habe es gerochen«, antwortete er.
    Mir war klar, daß er das nicht im übertragenen Sinn meinte, sondern den Unterschied zwischen uns und anderen Menschen tatsächlich gerochen hatte. Ich erinnerte mich daran, wie er anfangs geschnüffelt hatte, so als wäre er erkältet, ohne sich aber auch nur ein

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