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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Geräusche zu achten, die nicht vom Wind herrührten — und mich auf schnelles Handeln einzustellen.
    Rya schob ihren Teller weg, trank einen Schluck Bier und fragte: »Horton, wie um alles in der Welt haben die neuen Eigentümer denn diesen enormen Zaun und die anderen Sicherheitsvorkehrungen erklärt?«
    Er legte seine schwieligen Hände um die Bierflasche. »Na ja, bevor die ursprünglichen Eigentümer die Gesellschaft verkaufen mußten, hatte es in einem einzigen Jahr drei Todesfälle gegeben. Viele tausend Morgen Land gehören der Gesellschaft, und an manchen Stellen wurden Stollen zu dicht unter der Erdoberfläche angelegt. Das bringt gewisse Probleme mit sich. Die oberen Erdschichten können langsam — manchmal aber auch schnell — in die Schächte absinken. Und dann gibt es auch noch alte verrottete Schächte, die einbrechen können, wenn jemand nur einen Fuß darauf setzt. Der Boden tut sich auf und verschluckt die betreffende Person, so wie eine Forelle die Fliege.«
    Growler kehrte in die Ecke zurück und rollte sich wieder zusammen.
    Der Wind sang an den Fenstern, pfiff in den Regenrinnen, tanzte auf dem Dach. Nichts Bedrohliches.
    Trotzdem blieb ich wachsam.
    Horton rutschte auf dem Küchenstuhl hin und her. »Nun ja, ein Mann namens MacFarland, der auf dem Bergwerksgelände Rotwild jagte, hatte das Pech, durch die Decke eines alten verlassenen Tunnels zu fallen. Er brach sich bei dem Sturz beide Beine, hieß es später. Er rief natürlich um Hilfe, muß sich die Kehle heiser geschrieen haben, aber niemand hörte ihn. Als die Suchmannschaft ihn endlich fand, war er schon zwei Tage tot. Einige Monate später wollten zwei Jungen, beide etwa vierzehn, das Gelände erkunden, neugierig, wie Jungs nun einmal sind. Ihnen passierte das gleiche wie MacFarland. Sie stürzten durch die Decke eines alten Schachts. Einer brach sich den Arm, der andere den Knöchel, und obwohl sie offenbar versucht haben, an die Oberfläche zu kriechen, haben sie's nicht geschafft. Die Suchtrupps fanden auch sie erst, als sie schon tot waren. Danach haben die Eltern und auch die Frau des Jägers die Gesellschaft verklagt, und es stand von vornherein fest, daß sie einen Prozeß haushoch gewinnen würden. Die Eigentümer zogen es deshalb vor, sich mit den Leuten außergerichtlich zu einigen; aber um die Forderungen erfüllen zu können, mußten sie die Firma verkaufen.«
    »Und sie verkauften an drei Partner — Jensen Orkenwold, Anson Corday — dem die Zeitung gehört — und Bürgermeister Spectorsky«, konstatierte Rya.
    »Na ja, er war damals noch nicht Bürgermeister«, sagte Horton. »Das wurde er erst etwas später. Aber alle drei stinken zum Himmel.«
    »Was bei den ursprünglichen Eigentümern nicht der Fall war«, warf ich ein.
    »Ganz recht«, bestätigte Horton. »Die ursprünglichen Eigentümer — na ja, sie waren Menschen, weder besser noch schlechter als die meisten. Stinkende Trolle waren sie jedenfalls nicht. Was ich aber eigentlich sagen wollte — deshalb wurde der Zaun errichtet. Die neuen Eigentümer sagten, sie wollten keine Prozesse dieser Art riskieren. Und obwohl manche Leute finden, daß dieser Zaun maßlos übertrieben ist, sehen die meisten darin ein positives Zeichen von Verantwortungsbewußtsein.«
    Rya schaute mich an, und in ihren blauen Augen las ich sowohl Zorn als auch Mitleid. »Der Jäger... die beiden Jungen.. . das waren keine Unfälle.«
    »Höchstwahrscheinlich«, stimmte ich zu.
    »Sie wurden ermordet«, fuhr sie fort. »Auf diese Weise sollten die Eigentümer zum Verkauf gezwungen werden, damit die Trolle das Bergwerk übernehmen und für ihre Zwecke mißbrauchen konnten.«
    »Höchstwahrscheinlich«, sagte ich wieder.
    Horton Bluett starrte Rya an, dann mich, dann Growler, dann seine Bierflasche. Er erschauderte heftig. »Ich habe nie daran gedacht, daß die Jungen und der Jäger... Verdammt, ich kannte den Jäger, und mir ist nie in den Sinn gekommen, daß er ermordet worden ist. Nicht einmal später, als ich feststellte, daß die neuen Leute — sowohl die Eigentümer als auch die Beschäftigten — alle stanken. Aber jetzt, wo ihr es sagt, ist es ganz logisch. Warum bin ich nur nicht von selbst darauf gekommen? Hat bei mir die Verkalkung schon eingesetzt?«
    »Nein«, beruhigte Rya ihn. »Keineswegs. Sie sind nicht darauf gekommen, weil Sie zwar ein äußerst vorsichtiger Mann sind, aber auch ein Mensch mit moralischen Wertvorstellungen. Wenn Sie geglaubt hätten, daß es sich um

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