Zwielicht
sind nur, wie ihr uns erschaffen habt. Wir verfügen über keine Fähigkeiten, die ihr nicht hättet vorhersehen müssen. Wir besitzen keine einzige Fähigkeit, die ihr nicht gebilligt habt.«
So als würde ich in der Hölle mit einem Dämon konfrontiert, in dessen Klauenhänden das Schicksal der ganzen Menschheit lag und der mit einleuchtenden Argumenten vielleicht zur Gnade bewogen werden konnte, setzte ich mich für meine Spezies ein. »Nicht alle Menschen sind Meister des Hasses, wie du behauptest.«
»Alle«, beharrte der Troll.
»Manche Menschen sind gut.«
»Keiner.«
»Die meisten von uns sind gut.«
»Verstellung«, erklärte der Unhold mit jener unerschütterlichen Sicherheit, die — wie die Bibel uns lehrt — ein Kennzeichen der bösen Mächte ist, ein Instrument, mit dessen Hilfe diese Mächte Zweifel in den Gott der Sterblichen säen können.
»Manche Menschen lieben.«
»Es gibt keine Liebe«, widersprach das dämonische Wesen.
»Du irrst dich. Es gibt sie.«
»Nichts als eine Illusion.«
»Manche von uns lieben«, beharrte ich.
»Du lügst.«
»Manche von uns kümmern sich um ihre Mitmenschen.«
»Alles Lügen.«
»Wir haben Mut, und wir sind fähig, uns für andere zu opfern. Wir lieben den Frieden und hassen den Krieg. Wir heilen die Kranken und trauern um die Toten. Verdammt, wir sind keine Ungeheuer! Wir ziehen Kinder auf und versuchen, für sie eine bessere Welt zu schaffen.«
»Ihr seid eine verabscheuungswürdige Brut.«
»Nein, wir...«
»Lügen!« zischte er. »Lügen und Selbstbetrug.«
»Slim, bitte, das ist doch sinnlos«, unterbrach Rya unsere Debatte. »Du kannst ihn nicht überzeugen. Keinen von ihnen. Was sie von uns glauben, ist ja nicht einfach ihre Meinung. Es ist in ihre Gene einprogrammiert. Daran kannst du nichts ändern. Niemand vermag etwas daran zu ändern.«
Sie hatte selbstverständlich recht.
Ich seufzte. Ich nickte. »Wir lieben!« wiederholte ich eigensinnig, obwohl ich wußte, daß es sinnlos war.
Während Rya langsam weiteres Pentothal injizierte, setzte ich das Verhör fort. Ich erfuhr, daß diese Festung, in der die Trolle das Jüngste Gericht zu überleben hofften, aus fünf treppenartig angeordneten Ebenen bestand. Eine sechste — jene, durch die wir die Anlage betreten hatten — war im Bau. Bisher waren 64 Räume fertiggestellt und mit verschiedenen Vorräten ausgestattet. Diese Zahl überraschte mich, war aber nicht unglaubhaft. Sie waren fleißig wie Bienen, und sie wurden nicht durch die Individualität behindert, die ein großartiges — doch manchmal auch frustrierendes — Element der menschlichen Spezies ist. Ein Ziel, eine Methode, dieses Ziel zu erreichen. Keine Debatten. Keine Ketzer, keine Splitterfraktionen. Sie marschierten unaufhaltsam auf ihren Traum einer in Ewigkeit stillen, öden, dunklen Erde zu. Der Gefangene berichtete, daß sie diesem Bunker noch mindestens hundert Räume hinzufügen würden, bevor der Tag X käme, und in den Monaten vor Kriegsausbruch würden Tausende von Trollen aus allen Teilen Pennsylvanias und aus einigen anderen östlichen Bundesstaaten im Bunker eintreffen.
»Und es gibt andere Zentren wie Yontsdown, wo solche Zufluchtsorte unter der Erde entstehen.«
Ich versuchte von ihm zu erfahren, wo diese anderen Festungen errichtet wurden, aber das wußte er nicht.
Auf jedem Kontinent sollten solche Bunker fertiggestellt sein, wenn der technische Stand der atomaren Vernichtungswaffen so hoch wie in jener früheren Zivilisation sein würde — und dann würden die Trolle auf die Knöpfe drücken und den Weltenbrand auslösen.
Während ich diesem Wahnsinn lauschte, brach mir der kalte Schweiß aus. Ich öffnete den Reißverschluß meiner Skijacke, um mich etwas abzukühlen, und der Geruch von Angst und Verzweiflung, der meinen Körper entströmte, stieg mir in die Nase.
Mir fielen die Troll-Mißgeburten in jenem Käfig ein, und ich fragte den Gefangenen, ob solche Abnormitäten häufig vorkämen. Unsere Vermutungen waren richtig gewesen. Die Trolle, die als unfruchtbare Wesen gezüchtet worden waren und die Fähigkeit zur Fortpflanzung durch eine Mutation erworben hatten, durchliefen jetzt den umgekehrten Prozeß; in den vergangenen Jahrzehnten hatte er sich beschleunigt, und dabei kam es auch immer häufiger zu Mißgeburten. Die weltweite Troll-Bevölkerung nahm seit langem ab. Die Geburtenrate gesunder Nachkommen war zu gering, um die Alten zu ersetzen, deren unglaublich langes Leben zu Ende ging,
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