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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Harmageddon war so intensiv, daß sich für einen Moment sogar die durch die Droge bewirkte Starre löste. Er zuckte geradezu wollüstig, wand sich, wölbte den Rücken, bis nur noch Kopf und Fersen den Boden berührten, und murmelte in seiner alten Sprache verzückt vor sich hin.
    Mir klapperten die Zähne.
    Die Vision vom Jüngsten Gericht bereitete dem Troll unverkennbar höchsten Genuß, und nur die Wirkung der Droge hinderte ihn daran, regelrecht in Ekstase zu geraten.
    So als wäre ein Damm von Emotionen gebrochen, stieß er plötzlich ein langgezogenes »Ahhhhhhhhh« aus und entleerte seine Blase.
    Rya hatte eine dritte Injektion vorbereitet.
    Ich hielt den Troll fest.
    Sie führte die Nadel ein und drückte auf die Spritze.
    »Nicht alles auf einmal«, sagte ich.
    Der Uringestank verursachte mir Übelkeit.
    »Warum?«
    »Ich will nicht, daß er an einer Überdosis stirbt. Ich habe noch viele Fragen an ihn.«
    »Ich werde ihm das Zeug nach und nach injizieren«, sagte sie.
    Sie verabreichte ihm nur ein Viertel der Menge, gerade genug, um ihn erneut in den Zustand der Starre zu versetzen. Die Nadel ließ sie in seiner Vene, um ihm weiteres Pentothal zuführen zu können, sobald die Wirkung nachließ.
    »Vor sehr langer Zeit«, sagte ich zu dem Gefangenen, »in jener Ära, die wir Menschen vergessen haben, in jener Ära, als ihr erschaffen wurdet... damals gab es schon einmal einen Atomkrieg...«
    »Der KRIEG«, murmelte er andächtig, so als spreche er von einem heiligen Ereignis. »Der KRIEG... der KRIEG...«
    »Habt ihr vor jenem Krieg auch solche Bunker unter der Erde gebaut?«
    »Nein. Wir starben... wie die Menschen, denn wir waren Geschöpfe der Menschen und verdienten deshalb den Tod.«
    »Aber warum baut ihr dann diesmal diese Bunker?«
    »Weil... wir versagt haben... versagt... versagt...« Er blinzelte und versuchte sich aufzurichten. »Versagt...«
    Ich nickte Rya zu.
    Sie drückte wieder ein wenig Drogenflüssigkeit in die Vene.
    »Inwiefern habt ihr versagt?«
    »... versagt... nicht geschafft, die ganze Menschheit auszurotten... und dann... nach dem Krieg... hatten von uns zu wenige überlebt, um alle menschlichen Überlebenden aufzuspüren und zu erlegen... Aber diesmal... diesmal... wenn der Krieg vorüber ist... wenn die Brände erloschen sind... wenn die Himmel die kalte Asche wieder ausgespieen haben... wenn die Strahlung erträglich ist...«
    »Ja?« drängte ich.
    »Dann«, fuhr er flüsternd fort, mit der Ehrfurcht eines religiösen Fanatikers, der eine wunderbare Prophezeiung ausspricht, »dann werden von Zeit zu Zeit Jagdtrupps unsere Zufluchtsorte verlassen und zur Erde emporsteigen... und sie werden jeden Mann und jede Frau und jedes Kind liquidieren, die überlebt haben... alle... Unsere Jäger werden nach Überlebenden suchen und sie töten... töten und töten, bis ihre Vorräte an Lebensmitteln und Wasser erschöpft sind oder aber die radioaktive Dauerbestrahlung sie tötet... Diesmal werden wir nicht versagen... Diesmal wird es bei uns genügend Überlebende geben, um hundert oder zweihundert Jahre lang Liquidierungstrupps aussenden zu können... und dann... wenn die Erde öde und leer ist... wenn von Pol zu Pol vollkommene Stille herrscht... wenn nicht der geringste Zweifel mehr daran besteht, daß die Menschheit mit Stumpf und Stiel ausgerottet ist.. .dann werden wir das letzte verbliebene Werk des Menschen auslöschen — uns selbst. Und dann wird alles dunkel sein, finster und kalt und still, und die vollkommene Reinheit des Nichts wird ewig herrschen.«
    Jetzt brauchte ich mir nicht mehr den Kopf zu zerbrechen, was die schreckliche Leere bedeutete, die ich visionär wahrnahm, wenn ich das Symbol des dunklen Blitzes betrachtete. Jetzt kannte ich seine Bedeutung: brutales Ende jeden Lebens, Tod einer ganzen Welt, Hoffnungslosigkeit, Auslöschung.
    »Ist dir eigentlich klar, was du da sagst?« fragte ich den Troll. »Das würde doch bedeuten, daß das letzte Ziel eurer Spezies die Selbstvernichtung ist.«
    »So ist es. Nach eurer Vernichtung.«
    »Aber das ist doch sinnlos.«
    »Es ist Schicksal.«
    »Ein derart extremer Haß ist doch Wahnsinn!«
    » Euer Wahnsinn.« Er grinste plötzlich. » Ihr habt ihn uns eingepflanzt.«
     
    Rya injizierte wieder etwas von der Droge.
     
    Das Grinsen verschwand aus dem Gesicht der Kreatur, aber sie fuhr fort: »Ihr... euresgleichen... ihr seid die unvergleichlichen Meister des Hasses, der Vernichtung... ihr seid die Herren des Chaos. Wir

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