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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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sieben, und ich vermutete, daß es Montag 19 Uhr war, möglicherweise aber auch schon Dienstagmorgen. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich mit Rya durch die Minen gestolpert war und wie lange ich geschlafen hatte.
    Ich fand Wasser für uns.
    Ich nahm Rya wieder auf meine Arme. Jetzt setzte ich meine ganze Willenskraft ein, damit das Wunder fortdauerte — und es dauerte an. Aber die Kraft, die mich durchflutete, war um soviel geringer als anfangs, daß ich dachte, Gott hätte bestimmt anderweitige Verpflichtungen und hätte deshalb einen Seiner unbedeutenderen Engel beauftragt, mir zur Seite zu stehen — einen Engel, der bei weitem nicht über solche Kräfte wie sein Herr verfügte. Meine Fähigkeit, Schmerz und Müdigkeit abzublocken, hatte erheblich nachgelassen. Von Zeit zu Zeit verspürte ich so starke Schmerzen, daß ich wimmerte und einige Male sogar aufschrie. Hin und wieder wurde ich mir meiner gemarterten Muskeln und Knochen bewußt und mußte dies rasch wieder verdrängen. Rya kam mir auch nicht mehr so leicht wie eine Puppe vor, und manchmal hätte ich direkt schwören können, daß sie tausend Pfund wog.
    Ich kam an dem Hundeskelett vorbei und drehte mich noch lange danach um, weil mein fiebriges Hirn sich einbildete, ich würde von diesem Knochengerippe verfolgt.
    Mitunter war ich kaum noch bei Bewußtsein, und wenn ich dann wieder zu mir kam, erschrak ich über meine eigenen Handlungen. Mehr als einmal stellte ich fest, daß ich über Rya kniete und wild schluchzte. Jedesmal hatte ich sie für tot gehalten, aber jedesmal registrierte ich dann doch wieder einen Puls, wenngleich einen sehr schwachen. Einmal kam ich zu mir und bekam keine Luft, weil ich mit dem Gesicht in einer Pfütze lag, aus der ich getrunken hatte. Manchmal stellte ich fest, daß ich mit Rya auf den Armen einfach weitergelaufen war, aber ohne auf die weißen Pfeile zu achten, und dann mußte ich umkehren und nach dem richtigen Weg suchen.
    Mir war heiß. Ich glühte. Es war eine trockene, ausdörrende Hitze, und ich fühlte mich so, wie Slick Eddy in Gibtown ausgesehen hatte: wie altes Pergament, wie ägyptischer Sand.
    Eine Weile schaute ich noch regelmäßig auf die Uhr, doch schließlich sparte ich mir diese Mühe, denn es war völlig sinnlos. Ich wußte ja nicht, auf welchen Abschnitt von Tag und Nacht die Uhr sich bezog. Ich wußte nicht, ob es Morgen, Mittag oder Nachmittag war. Ich wußte auch nicht, welcher Tag es war, obwohl ich glaubte, es müßte Montagnacht oder Dienstagmorgen sein.
    Ich stolperte an den liegengebliebenen Werkzeugen vorbei, die wie eine moderne Skulptur aussahen, wie eine Figur, und ich war halb überzeugt davon, daß sie den Kopf nach mir umgedreht hatte, daß sie den Mund noch weiter aufgerissen hatte, daß eine Hand sich bewegt hatte. Viel später, in anderen Schächten, bildete ich mir ein, von ihr verfolgt zu werden; ich glaubte, das Klirren und Klappern ihrer Metallknochen zu hören, und ich wußte, daß sie mich letztlich einholen würde, weil ich immer langsamer vorankam.
    Ich war mir manchmal nicht ganz sicher, wann ich wachte und wann ich träumte. Zeitweilig glaubte ich, nur einen Alptraum zu erleben, aus dem ich bald erleichtert aufwachen würde. Aber natürlich war ich wach und durchlebte den Alptraum.
    Jedesmal, wenn ich aus dem gnädigen Zustand des Vergessens zu mir kam, fühlte ich mich schwächer, verwirrter und fiebriger. Ich erwachte und saß an der Felswand eines Tunnels, Rya in meinen Armen. Ich war schweißgebadet, meine Haare klebten am Kopf, meine Augen brannten von der salzigen Flüssigkeit, die mir von Stirn und Schläfen rann, von Nase, Ohren, Kinn und Wangen. Ich war so naß, als wäre ich in Kleidern schwimmen gegangen. Nicht einmal am Strand von Florida war mir jemals so heiß gewesen, aber diese Hitze kam ausschließlich aus meinem Inneren, so als hätte ich einen Ofen in mir, eine grelle Sonne, die mich verbrannte.
    Als ich das nächstemal zu mir kam, war mir noch immer wahnsinnig heiß, doch gleichzeitig schauderte ich unkontrolliert. Der Schweiß war nahe am Siedepunkt, wenn er aus meinem Körper austrat, doch auf meiner Haut gefror er sofort zu Eis.
    Ich bemühte mich, nicht an meinen eigenen jämmerlichen Zustand zu denken, mich vielmehr ausschließlich auf Rya zu konzentrieren und irgendwie jene wundersamen Kräfte zurückzuerlangen. Doch als ich sie betrachtete, sah und fühlte ich keinen Puls mehr an ihren Schläfen, ihrem Hals und Handgelenk. Ihre Haut kam mir

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