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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Großmutter zu sagen pflegte, warum kam Er dann nicht zurück, warum reparierte Er das verdammte Ding nicht endlich? Offenbar war es doch eine Maschine mit großem Potential, wie man an Rya Raines sehen konnte.
    »Du siehst zwar wie siebzehn aus«, sagte die Zwergin, »aber du benimmst dich nicht wie ein Siebzehnjähriger.«
    Ich wußte nicht, was ich dazu sagen sollte, und murmelte deshalb nur: »Na ja...«
    »Du magst siebzehn sein, aber du bist schon ein Mann. Ich glaube, ich werde Bob Weyland sagen, du seist für Tina ein paar Nummern zu groß. Du hast etwas Hartes an dir.«
    »Etwas... Düsteres«, warf Rya ein.
    »Ja«, stimmte Irma zu. »Auch das.«
    Sie waren neugierig, aber sie gehörten zur Gilde der Schausteller, und obwohl sie mir ohne weiteres erzählten, wie sie mich sahen, hätten sie es nie über sich gebracht, mich auszufragen.
    Irma ging, und ich rechnete auf dem Küchentisch mit Rya ab. Sie sagte, die Einnahmen lägen 20% über dem Durchschnitt, zahlte mir meinen Tageslohn aus und gab mir außerdem 30% von den zusätzlichen Einnahmen, was ich sehr anständig fand, weil ich angenommen hatte, daß sie mich erst nach einigen Wochen beteiligen würde.
    Als wir mit der Abrechnung fertig waren, konnte ich die Schürze ungeniert ablegen, denn meine Erektion war vorüber. Rya stand zwar direkt neben mir am Tisch, ich konnte nach wie vor die Konturen ihrer herrlichen Brüste sehen, und ihr Gesicht raubte mir noch immer den Atem, aber ihr geschäftsmäßiges Verhalten und ihre unveränderte Kühle hatten den rasenden Motor meiner Libido zu einem trägen Leerlauf gedrosselt.
    Ich berichtete ihr, daß Jelly Jordan mich gebeten hätte, am nächsten Tag etwas für ihn zu erledigen, und daß ich deshalb nicht wüßte, wann ich am ›Lukas‹ einsatzfähig sein würde, aber Jelly hatte ihr schon selbst Bescheid gesagt.
    »Wenn du den Job für ihn erledigt hast«, meinte sie, »kannst du Marco ja am ›Lukas‹ ablösen. Marco ist der Bursche, der dich heute während deiner Pause vertreten hat.«
    Ich bedankte mich für den Lohn und für die Chance, die sie mir gegeben hatte, und als von ihr keinerlei Reaktion kam, drehte ich mich um und ging unbeholfen auf die Tür zu.
    Dann hörte ich: »Slim?«
    Ich blieb stehen und wandte mich ihr wieder zu. »Ja?«
    Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und eine so finstere Miene aufgesetzt — gerunzelte Stirn, schmale Augen —, daß ich dachte, sie wollte mich wegen irgend etwas zur Schnecke machen, aber sie sagte: »Willkommen an Bord!« Ich glaube, ihr war selbst überhaupt nicht bewußt, wie abweisend sie aussah — und wahrscheinlich hätte sie auch gar nicht gewußt, wie man freundlicher dreinschaute.
    »Danke«, erwiderte ich. »Es ist ein angenehmes Gefühl, Schiffsplanken unter den Füßen zu haben.«
    Ich spürte deutlich eine verhaltene Zärtlichkeit und besondere Verletzlichkeit unter dem Panzer, den sie sich als Schutz vor der Welt zugelegt hatte. Was ich Jelly gesagt hatte, stimmte: Ich fühlte tatsächlich, daß unter der hartgesottenen Amazone, die sie spielte, eine sensible Frau verborgen war. Aber während ich auf der Schwelle stand und sie betrachtete, entdeckte ich noch etwas anderes, eine Traurigkeit, die mir bis dahin nicht aufgefallen war, eine gut versteckte tiefe Melancholie, die sie nie verließ. Diese Aura von Schwermut erschütterte mich, und am liebsten hätte ich sie in meine Arme genommen, nicht mit sexuellen Absichten, sondern nur, um sie zu trösten und ihren geheimnisvollen Seelenschmerz wenn möglich etwas zu lindern.
    Natürlich schloß ich sie nicht in die Arme, denn ich wußte, daß sie meine Motive mißdeuten würde. Verdammt, höchstwahrscheinlich würde sie mir ein Knie in den Unterleib rammen, mich die Metallstufen hinabstoßen und mich feuern, noch während ich mich hochrappelte.
    »Wenn du dich am ›Lukas‹ weiterhin so gut bewährst«, sagte sie, »wirst du dort nicht lange bleiben; dann bekommst du von mir bald einen besseren Job.«
    »Ich werde mein Bestes geben.«
    Sie ging zu dem Lehnstuhl, während sie fortfuhr: »Nächstes Jahr möchte ich noch ein oder zwei Konzessionen kaufen. Große Konzessionen, für die ich zuverlässige Leute brauchen werden.«
    Ich begriff, daß sie mich nicht fortlassen wollte. Nicht, daß sie sich zu mir hingezogen fühlte; nicht, daß ich unwiderstehlich oder so was war. Rya Raines wollte im Augenblick einfach nicht allein sein. Normalerweise machte es ihr nichts aus. Aber jetzt hätte sie

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