Zwielicht
hinausgeschaut. Ich war allein im Mondlicht. Die Grillen zirpten. Ich konnte vor Magenkrämpfen nicht aufrecht stehen. Während ich bei Rya gewesen war, waren viele Lichter ausgegangen, und einige weitere erloschen jetzt. Jemand briet Eier mit Speck, und normalerweise hätten diese Essensdüfte mich hungrig gemacht, aber in meinem gegenwärtigen Zustand verstärkten sie nur noch meine Übelkeit. Mit weichen Knien stolperte ich auf den Wohnwagen zu, der mein neues Zuhause sein sollte.
Morgens, beim Verlassen des Umkleideraums, hatte ich Hoffnung geschöpft, und der Rummelplatz war mir heiter und vielversprechend vorgekommen. Aber so wie sich die Dunkelheit dort vor kurzem breitgemacht hatte, so brach sie jetzt auch über mich herein, überflutete mich wie eine riesige Welle.
Als ich den Wohnwagen fast erreicht hatte, spürte ich, daß ich beobachtet wurde, obwohl niemand zu sehen war. Es schien mir ziemlich wahrscheinlich, daß es derselbe Mann war, der die Leiche des Trolls vom Autoskooter weggeschafft und mich später aus irgendeinem Versteck hervor bespitzelt hatte. Ich war aber viel zu benommen und verzweifelt, um mir jetzt auch noch darüber den Kopf zu zerbrechen. Ich wollte nur noch ins Bett.
Der Wohnwagen bestand aus einer kleinen Küche, einem Wohnzimmer, einem Bad und zwei Schlafzimmern mit je zwei Betten. Mein Zimmergefährte war ein Bursche namens Barney Quadlow, ein sehr großer und ziemlich beschränkter Hilfsarbeiter, der glücklich in den Tag hinein lebte und sich keine Gedanken darüber machte, was er im Alter tun würde, wenn er als Träger beim Auf- und Abbau nicht mehr zu gebrauchen war. Er vertraute darauf, daß die Gemeinschaft der Schausteller irgendwie für ihn sorgen würde — und mit dieser Annahme hatte er völlig recht. Ich hatte ihn am Spätnachmittag kennengelernt, und wir hatten uns ein wenig unterhalten. Natürlich kannte ich ihn nicht gut, aber er schien ein gutmütiger Kerl zu sein, und als ich ihn mit meinem sechsten Sinn sondiert hatte, war ich auf ein denkbar sanftmütiges Wesen gestoßen.
Ich vermutete, daß der Troll, den ich im Autoskooter umgebracht hatte, ebenfalls ein Hilfsarbeiter gewesen war, denn das würde erklären, warum sein Verschwinden kein Aufsehen erregt hatte. Auf solche Hilfskräfte war oft kein Verlaß. Wenn ihr Wandertrieb übermächtig wurde, machten sie sich einfach bei Nacht und Nebel aus dem Staub.
Barney schlief fest und wachte auch nicht auf, als ich mich leise bis auf die Unterwäsche auszog, meine Kleider sorgfältig über einen Stuhl hängte und mich auf dem Bett ausstreckte. Das Fenster war geöffnet, so daß eine milde Brise ins Zimmer drang, doch die Nacht war so warm, daß ich mich nicht einmal mit einem Laken zudecken mochte.
Ich hatte befürchtet, wieder nicht einschlafen zu können. Manchmal hat Verzweiflung jedoch die gleiche Wirkung wie Erschöpfung — sie zieht den Geist wie ein Mühlstein in die Tiefe. Und so fand ich nach kürzester Zeit — schätzungsweise schon nach einer Minute — willkommene Zuflucht im Vergessen.
In der friedhofstillen, grabesdunklen Mitte der Nacht wurde ich halb wach und glaubte, auf der Schwelle eine massige Gestalt stehen zu sehen. Da aber nirgends Licht brannte, war der Wohnwagen nur mit allen möglichen Schattierungen von Schwarz gefüllt, und ich konnte die Person nicht erkennen. Ich sagte mir schlaftrunken, daß es Barney sein müsse, auf dem Weg zur Toilette oder auf dem Rückweg von dort, aber die Gestalt bewegte sich nicht, sondern stand regungslos da. Außerdem hörte ich vom Nebenbett Barneys regelmäßige Atemzüge. Einer der Männer aus dem zweiten Schlafzimmer konnte es auch nicht sein, da beide nicht so groß waren wie der geheimnisvolle Besucher. In meiner Benommenheit entschied ich schließlich, daß es der Tod sein müsse, der grimme Schnitter höchstpersönlich, der mich holen wollte. Anstatt bei diesem Gedanken entsetzt aufzuspringen, schloß ich die Augen und schlief wieder ein. Meine Weltuntergangsstimmung beim Zubettgehen hatte auch meine Träume beeinflußt, und so hatte ich gegen einen Besuch des Todes gar nicht viel einzuwenden.
Ich kehrte nach Oregon zurück. Nur auf diese Weise konnte ich es wagen, nach Hause zu kommen. Nur im Traum.
Nach viereinhalb Stunden Schlaf — für mich eine lange Zeit — war ich um Viertel nach sechs am Freitagmorgen hellwach. Barney schlief noch, ebenso die beiden Burschen im Nebenraum. Graues Licht fiel durchs Fenster ein. Die Gestalt im
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