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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Türrahmen war verschwunden — wenn sie überhaupt jemals existiert hatte.
    Ich stand auf, holte leise ein frisches T-Shirt, saubere Unterhosen und Socken aus meinem Rucksack, den ich am Vortag im Wandschrank verstaut hatte, und legte die Sachen in einen meiner Stiefel. Ich fühlte mich verschwitzt und freute mich auf eine Dusche. Mit den Stiefeln in der einen Hand wollte ich nun noch meine Jeans vom Stuhl nehmen, als ich zwei Stückchen weißes Papier auf dem Baumwollstoff entdeckte. Ich konnte mich nicht daran erinnern, sie hingelegt zu haben, und ich konnte sie im schwachen Licht nicht lesen, deshalb nahm ich sie mit ins Bad. Dort machte ich Licht, stellte meine Stiefel ab und hängte die Jeans über einen Handtuchhalter.
    Ich betrachtete das eine Stück Papier. Dann das zweite.
    Die geheimnisvolle Gestalt auf der Schwelle war keine Einbildung gewesen, kein Fantasiegespinst. Der Besucher hatte zwei Dinge hinterlassen, die seiner Meinung nach für mich interessant sein mußten.
    Es waren Freikarten, wie sie in jeder Stadt in großen Mengen an die Vertreter der Behörden und sonstigen VIPs verteilt wurden.
    Eine Freikarte für den Autoskooter.
    Und eine für das Riesenrad.

8 -  Dunkelheit am Mittag
     
    Yontsdown im gebirgigen Yontsdown County, Pennsylvania, hatte — wie auf dem Schild am Ortseingang zu lesen stand — 22.450 Einwohner und sollte die nächste Station auf der Route des Sombra Brothers Carnival sein. In der Nacht von Samstag auf Sonntag würde der Rummelplatz am gegenwärtigen Standort abgebrochen werden, um in 150 km Entfernung auf dem Jahrmarktsgelände von Yontsdown neu zu erstehen. Die Stadt lag in einem Kohlerevier, das inzwischen aber fast stillgelegt war; der langsame Niedergang schien unausweichlich, doch das wollten die Bewohner offenbar nicht wahrhaben. Vorerst sorgten ein Stahlwerk und ein regionaler Rangierbahnhof noch für Arbeitsplätze. Den Bergleuten, Stahlarbeitern und Bahnangestellten standen für die Gestaltung ihrer Abende und Wochenenden im allgemeinen außer dem Fernsehen und einigen Kneipen nur die Veranstaltungen der drei katholischen Pfarrgemeinden — geselliges Beisammensein, Tanz oder kaltes Büfett — zur Verfügung, und deshalb würde der Rummelplatz ihnen eine hochwillkommene Abwechslung bieten.
    Am Freitagmorgen begleitete ich Jelly Jordan und einen Mann namens Luke Bendingo nach Yontsdown. Luke saß am Steuer, ich auf dem Beifahrersitz, und unser stattlicher Boß hatte den ganzen Fond für sich. Er trug eine schwarze Hose, ein leichtes braunes Hemd und ein Sacko mit Fischgrätenmuster und sah in dieser korrekten Kleidung nicht wie ein Schausteller, sondern wie ein wohlgenährter Landjunker aus. Aus Jellys luxuriösem gelbem Cadillac mit Klimaanlage genossen wir die grüne Hügellandschaft, die an uns vorbeiflog.
    Wir fuhren nach Yontsdown, um sozusagen die Weichen für unseren Zug zu stellen, der am Sonntag in den frühen Morgenstunden ankommen würde. Im Klartext: Wir mußten die Vertreter der Lokalbehörden schmieren.
    Jelly hatte als Generaldirektor des Sombra Brothers Carnival einen anspruchsvollen und wichtigen Posten. Aber er war zugleich auch der ›Flickschneider‹, und mitunter leistete er dem Unternehmen in dieser Eigenschaft noch wertvollere Dienste als in seiner verantwortlichen Position. Jedes Wanderunternehmen beschäftigt einen Mann, dessen Aufgabe darin besteht, Staatsbeamte zu bestechen, und er wird ›Flickschneider‹ genannt, weil er Verbindungen zu Polizisten, Stadträten und sonstigen wichtigen Persönlichkeiten einzufädeln und zu pflegen — sozusagen immer wieder zusammenzuflicken — hat, indem er sie mit Banknoten und mit Freikarten für ihre Familien und Freunde versorgt. Falls ein Wanderunternehmen ohne solchen ›Flickschneider‹ auszukommen versucht, nimmt die Polizei aus Rache Razzien auf dem Rummelplatz vor, schließt die Spielbuden, selbst wenn sie völlig korrekt arbeiten, verbietet die harmlosesten Tanzshows, erklärt die saubersten Imbißstände für gesundheitsgefährdend, die sichersten Fahrgeschäfte für lebensbedrohlich und zwingt mit diesen Gaunermethoden jedes Unternehmen schnell und wirkungsvoll in die Knie. Jellys Aufgabe bestand darin, eine derartige Katastrophe in Yontsdown zu verhindern.
    Er eignete sich hervorragend für diesen Job. Ein ›Flickschneider‹ muß charmant, amüsant und sympathisch sein, und Jelly war das alles. Er muß auch ein gewandter Redner sein, um seine Schmiergelder so an den Mann zu

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