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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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ich zum Abendessen eingeladen waren, hatten am Sonntag abend alle beste Laune, und ich konnte fast vergessen, daß dies nicht irgendein x-beliebiger Ort war, sondern eine von Trollen regierte Stadt, ein Nest, wo die Dämonen brüteten. Paulie, ein kleiner Mann, aber kein Zwerg wie seine schwarzhaarige Frau, war ein begnadeter Mime, der alle möglichen Filmstars und Politiker großartig imitieren konnte und uns damit ständig zum Lachen brachte. Sein Meisterstück war ein köstlicher Dialog zwischen John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow. Paulie war ein Schwarzer, und es war einfach verblüffend, wie sehr sich sein gummiartiges Gesicht von einer Sekunde zur anderen verändern und jeden Prominenten hervorragend darstellen konnte, völlig unabhängig von der Rasse.
    Paulie war außerdem ein guter Zauberkünstler, der in Tom Catshanks Show auftrat. Für einen Mann seiner Statur — er war höchstens 1,57 m groß — hatte er ziemlich große Hände mit langen schmalen Fingern, und seine Gestik war ungemein ausdrucksvoll. Ich mochte ihn auf Anhieb. Selbst Rya taute ein bißchen auf und beteiligte sich sogar an den Späßen; obwohl sie die kühle Pose und das distanzierte Auftreten, die ihre Markenzeichen waren, nicht völlig ablegte (schließlich war sie bei einer ihrer Angestellten zu Besuch), war sie an diesem Abend doch in keinster Weise eine Spielverderberin.
    Dann, als wir uns in der Eßnische schon Kaffee und Schwarzwälder Torte schmecken ließen, sagte Irma plötzlich: »Arme Gloria Neames!«
    »Warum? Was ist passiert?« fragte Rya.
    Irma schaute mich an. »Kennst du sie, Slim?«
    »Die... dicke Dame«, erwiderte ich.
    »Fett«, korrigierte Paulie und zeichnete mit den Händen eine Kugel in die Luft. »Gloria ist nicht beleidigt, wenn man sie als fett bezeichnet. Sie ist nicht gern so fett, das arme Ding, aber sie macht sich keinerlei Illusionen, hält sich nicht für die Monroe oder die Hepburn oder so jemanden.«
    »Nun, sie kann schließlich nichts dafür, daß sie so aussieht«, sagte Irma und fügte, an mich gewandt, hinzu: »Schlechte Drüsen.«
    »Tatsächlich?«
    »Oh, ich weiß schon«, meinte Irma. »Du glaubst bestimmt, daß sie wie ein Schwein frißt und nur behauptet, die Drüsen wären an ihrer Fettleibigkeit schuld. Aber das ist bei Gloria nicht der Fall. Peg Seeton wohnt bei Gloria, kümmert sich um sie, kocht für sie und so weiter, und Peg sagt, daß die arme Gloria nicht viel mehr ißt als du und ich, bestimmt nicht soviel, daß sie davon auf ein Gewicht von 750 Pfund käme. Und Peg wüßte Bescheid, wenn Gloria heimlich naschen würde, denn Peg erledigt alle Einkäufe, und Gloria geht ohne sie kaum irgendwohin.«
    »Kann sie allein nicht gehen?« fragte ich.
    »Doch«, antwortete Paulie, »aber das ist nicht einfach für sie, und sie hat wahnsinnige Angst hinzufallen. Das ist bei jedem so, der mehr als fünf- oder sechshundert Pfund wiegt. Wenn Glorie stürzt, kommt sie allein nicht wieder auf die Beine.«
    »Ja, das Aufstehen ist für sie überhaupt ein Riesenproblem«, fuhr Irma fort. »Gewiß, von einem Stuhl kann sie sich hochhieven, aber nicht, wenn sie auf den Boden fällt oder auf dem Rücken landet. Beim letzten Mal schafften es nicht einmal mehrere kräftige Hilfsarbeiter, sie wieder aufzurichten.«
    »750 Pfund sind eben keine Kleinigkeit«, meinte Paulie. »Sie ist zu gut gepolstert, um sich irgendwelche Knochen zu brechen, aber es ist schrecklich demütigend für sie, sogar wenn es nur vor uns Schaustellern passiert.«
    »Schrecklich«, bestätigte Irma und schüttelte traurig den Kopf.
    »Letztesmal blieb nichts anderes übrig, als einen LKW zu holen und daran eine Winde zu befestigen«, berichtete Rya. »Und selbst damit war es nicht so einfach, sie auf die Beine zu bekommen und sicherzustellen, daß sie auch wirklich stehenblieb.«
    »Das hört sich vielleicht komisch an, aber es war alles andere als komisch«, versicherte mir Irma.
    »Du siehst mich nicht lächeln«, erwiderte ich, bestürzt über diesen flüchtigen Einblick in die Leiden der fetten Frau.
    Ich fügte meiner langen Liste von Späßen, die Gott sich auf unsere Kosten erlaubt, einen neuen Punkt hinzu: Krebs, Erdbeben, Flutkatastrophen, Hirntumore, Blitzschläge... schlecht arbeitende Drüsen...
    »Aber das alles ist nichts Neues«, sagte Rya, »höchstens vielleicht für Slim. Warum hast du also vorhin ›arme Gloria‹ gesagt und damit das Gespräch auf sie gebracht?«
    »Sie ist heute abend ganz verstört«,

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