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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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sein würde, wieder auf die Beine zu kommen. Alle haben sich über sie lustig gemacht. Sie ließen sie nicht einmal auf die Toilette gehen, mit der Begründung, daß sie den Abortdeckel zerbrechen würde. Ihr Herz ist verständlicherweise nicht das beste, und sie sagt, sie hätte befürchtet, es würde zerspringen. Sie war am Weinen, als man ihr endlich erlaubt hat zu telefonieren, und sie hat wirklich nicht nahe am Wasser gebaut und neigt auch nicht zu Selbstmitleid.«
    »Dann«, beendete Irma den Bericht, »ruft sie bei der Jahrmarktverwaltung an, und Jelly wird ans Telefon geholt, und er fährt in die Stadt und holt sie da heraus, aber sie hat, sage und schreibe, drei Stunden dort zubringen müssen!«
    »Ich habe Jelly immer für einen guten Flickschneider gehalten«, sagte Rya. »Wie konnte ihm so was passieren?«
    Ich erzählte ihnen ein bißchen über unseren Ausflug nach Yontsdown am Freitag. »Jelly hat seine Sache wirklich gut gemacht. Alle wurden geschmiert. Eine Frau, Mary Vanaletto, die Vorsitzende des Kreisrates, hat von Jelly die Mäuse und Freikarten für alle Kreisräte und für den Sheriff und seine Leute bekommen.«
    »Vielleicht hat sie alles für sich behalten und den anderen weisgemacht, daß wir dieses Jahr nicht bezahlen wollten«, meinte Rya, »und deshalb macht der Sheriff uns jetzt Schwierigkeiten.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte ich. »Ich glaube vielmehr... aus irgendwelchen Gründen wollen sie es zu einer Auseinandersetzung kommen lassen...«
    »Aber warum?« fragte Rya.
    »Ich weiß nicht... aber ich hatte am Freitag diesen Eindruck«, antwortete ich ausweichend.
    Irma nickte, und Paulie sagte: »Jelly verbreitet es schon überall. Wir müssen uns diese Woche von unserer Schokoladenseite zeigen, denn er glaubt, daß ihnen jeder Vorwand recht sein wird, um uns Steine in den Weg zu legen und alle möglichen Attraktionen zu schließen. Sie wollen wohl noch mehr Zuckerchen von uns erpressen.«
    Ich wußte, daß sie es nicht auf unser Geld abgesehen hatten; sie wollten Blut sehen und sich an unserem Leid weiden. Aber ich konnte Irma, Paulie und Rya nicht von den Trollen erzählen. Sogar Schausteller, die tolerantesten Menschen der Welt, würden meine Geschichten nicht nur für exzentrisch, sondern für verrückt halten. Und obwohl sie Exzentrizität durchaus in Ehren halten, haben sie für gefährliche Psychopathen auch nicht mehr übrig als die sogenannten normalen Bürger. Deshalb behielt ich die düstere Wahrheit über die Repräsentanten von Yontsdown für mich.
    Ich wußte aber genau, daß die Quälereien, denen man Gloria Neames ausgesetzt hatte, nur der Auftakt des Krieges gewesen waren. Viel Schlimmeres stand uns noch bevor. Weit Schlimmeres als die Schließung von Attraktionen. Viel Schlimmeres als alles, was meine neuen Freunde sich vorstellen konnten. Von diesem Augenblick an war es mir nicht mehr möglich, die Trolle aus meinen Gedanken zu verbannen, und der Abend war für mich jetzt nicht mehr so vergnüglich wie anfangs. Ich lächelte und lachte und beteiligte mich weiterhin an der Unterhaltung, aber ein Mann, der mitten in einem Nest von Vipern steht, fühlt sich wahrscheinlich auch nicht besonders wohl.
     
    Wir verließen den Wohnwagen der Lorus kurz nach elf, und Rya fragte mich: »Müde?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht.«
    »Willst du einen Spaziergang machen?«
    »Nein, ich möchte etwas anderes«, erwiderte sie.
    »O ja«, stimmte ich enthusiastisch zu. »Das möchte ich auch.«
    »Nicht das «, lachte sie.
    »Oh...«
    »Noch nicht.«
    »Das klingt schon besser.«
    Sie führte mich zum Rummelplatz.
     
    Im Laufe des Tages waren dicke stahlgraue Wolken aufgezogen; sie hingen noch immer am Himmel und verdeckten den Mond und die Sterne. Der ganze Vergnügungspark bestand nur aus Schatten: dunkle Pfeiler und Bretter, schwarze Dächer, tintenfarbene Öffnungen, einander überlappende Farbschichten der Nacht in feinsten Abstufungen: Ebenholz, Kohle, Schwarzdorn, Ruß, Schwefel-Schwarz, Anilin-Schwarz, Alizarin-Zyanin, Lack-Schwarz, Holzkohle, Raben-Schwarz — Schwarz; dunkle Türen in noch dunkleren Wänden.
     
    Am Riesenrad blieb Rya stehen. Es hob sich als Netzwerk geometrischer Formen von dem etwas weniger schwarzen mondlosen Himmel ab.
    Wieder spürte ich die bedrohlichen Vibrationen, die davon ausgingen. Ich konnte noch immer nicht erkennen, welcher Art die Tragödie sein würde, aber ich wußte, daß in dieser Maschine zukünftiges Unheil gespeichert war, wie

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