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Zwielicht

Zwielicht

Titel: Zwielicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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wichtige Anweisungen und befolgte seinerseits die Anweisungen Gordon Alweins, unseres kahlköpfigen, bärtigen Transportleiters. Gordy war für die Verladung des riesigen Vergnügungsunternehmens verantwortlich, und da der ›Sombra Brothers Carnival‹ mit 46 Güterwaggons und 90 schweren Lastwagen reiste, hatte er eine wahrlich nicht leichte Aufgabe.
    Der Rummelplatz verschwand, so als hätte es ihn nie gegeben.
    Müde, aber erfüllt von einem herrlich befriedigenden Zugehörigkeitsgefühl, begab ich mich zur Wagenstadt auf der Wiese. Viele Schausteller hatten sich schon auf den Weg nach Yontsdown gemacht; die anderen würden morgen aufbrechen.
    Ich ging nicht zu meinem Wohnwagen.
    Ich zog Ryas Airstream vor.
    Sie hatte auf mich gewartet.
    »Ich habe gehofft, daß du kommen würdest«, sagte sie.
    »Du hast gewußt, daß ich kommen würde.«
    »Ich wollte mich bei dir...«
    »Nicht nötig.«
    »... entschuldigen.«
    »Ich bin schmutzig.«
    »Möchtest du duschen?«
    Ich duschte, und danach stand ein Bier für mich bereit.
    Obwohl ich eigentlich gedacht hatte, daß ich vor Müdigkeit sofort einschlafen würde, liebten wir uns in ihrem Bett, und es war ein köstliches langsames Liebesspiel: Seufzer und Flüstern im Dunkeln, zarte Liebkosungen, Bewegungen wie in Zeitlupe. Einmal vereinigt, verschmolzen wir immer mehr miteinander, und ich hatte das Gefühl, als bewegten wir uns auf eine vollkommene dauerhafte Bindung zu, als seien wir nahe daran, eine Einheit zu bilden, in der unsere Einzelpersönlichkeiten sich zu einem neuen untrennbaren Ganzen verbinden würden, was für mich eine sehr verlockende Vorstellung war, weil ich auf diese Weise all die vielen schlimmen Erinnerungen, den schmerzlichen Verlust meiner Heimat und die auf mir lastende Verantwortung vergessen könnte. Und dieses segensreiche Aufgehen ineinander schien in greifbare Nähe gerückt und würde uns beschieden sein, wenn es mir nur gelänge, den Rhythmus des Aktes genau ihrem Herzschlag anzupassen — und einen Augenblick später war diese Synchronisation erreicht, und durch mein Sperma übertrug sich mein Herzschlag auf sie, unsere Herzen verschmolzen sozusagen zu einem einzigen, und mit einem köstlichen Schauer und erlösenden Seufzer hörte ich auf zu existieren.
    Ich träumte von dem Friedhof. Verwitterte Sandsteinplatten. Beschädigte Marmorfiguren. Verblichene Granitobelisken, -quader und -kugeln, auf denen Amseln mit bösartig krummen Schnäbeln saßen. Rya rannte durch den Friedhof, und ich verfolgte sie. Ich würde sie umbringen. Ich wollte sie nicht töten, aber aus irgendeinem unverständlichen Grund hatte ich keine andere Wahl, als ihr das Leben zu nehmen. Ihre Fußspuren im Schnee waren mit Blut gefüllt. Sie war nicht verletzt, sie blutete nicht, deshalb war das Blut wahrscheinlich nur ein Omen, ein Hinweis auf den bevorstehenden Mord, ein Beweis für unsere festgelegten Rollen — Opfer und Mörder, Beute und Jäger. Ich hatte sie fast eingeholt, ihr Haar wehte im Wind, und ich packte sie bei den Haaren, und ihr rutschte der Boden unter den Füßen weg, und wir stürzten beide zwischen die Grabsteine, und dann warf ich mich knurrend auf sie und fletschte die Zähne wie ein wildes Tier und schnappte nach ihrer Kehle, und das Blut spritzte hervor, warme rote Fontänen...
    Ich erwachte.
    Ich setzte mich auf.
    Ich hatte einen Blutgeschmack im Mund.
    Ich schüttelte den Kopf, blinzelte, wurde vollends wach.
    Ich hatte noch immer einen Blutgeschmack im Mund.
    O Gott!
    Das mußte Einbildung sein. Ein Relikt aus dem Traum.
    Aber dieser schreckliche Geschmack wollte und wollte nicht vergehen. Ich tastete nach der Nachttischlampe, schaltete sie ein, und das Licht kam mir grell und anklagend vor. Schatten flohen in die Ecken des kleinen Zimmers.
    Ich führte eine Hand zum Mund. Preßte zitternde Finger auf meine Lippen. Betrachtete meine Finger. Sah Blut.
    Neben mir lag Rya zusammengerollt unter einem Laken, wie eine von aufmerksamen Polizisten zugedeckte Leiche. Ich konnte nur ihre Haare auf dem Kopfkissen sehen. Sie bewegte sich nicht. Wenn sie überhaupt atmete, dann so leise, daß es nicht zu hören war.
    Ich schluckte.
    Dieser Blutgeschmack. Wie Kupfer. So als saugte man an einem alten Penny.
    Nein! Ich hatte ihr nicht die Kehle zugedrückt, während ich den Alptraum hatte. O Gott, nein. Unmöglich. Ich war doch nicht verrückt. Ich war doch kein wahnsinniger Mörder. Ich war doch nicht fähig, jemanden zu töten, den ich liebte.
    Doch

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