Zwielicht
mindestens ein paar Stunden schlafen lassen. Prynn stand auf und ging abermals zum Medikit, um seine neuen Verletzungen zu behandeln. Die Verwandlung, die sie soeben mit angesehen hatte, erschien ihr unglaublich. Der normalerweise so stille und reservierte Shar hatte sich binnen eines Augenblicks in jemanden verwandelt, den sie kaum wiedererkannte.
Auch wenn sie sich nicht bedroht gefühlt hatte, ging der Vorfall ihr nahe.
Weil Vaughn daran schuld ist , dachte sie. Er hatte sie zurückgelassen. Wieder einmal.
Wirklich? Ich weiß nicht einmal mehr, was ich da denke. Prynn schüttelte den Kopf, als könne sie ihre Verwirrung so vertreiben.
Zwanzig Minuten lang befasste sie sich nur mit Shars Hand, und als sie nichts mehr für ihn tun konnte, widmete sie sich wieder dem Transporter. Allerdings sah sie immer wieder über die Schulter –
nicht zu Shar, sondern zum Horizont. Sie wusste nicht, warum, aber aus irgendeinem Grund konnte sie ein Bild nicht abschütteln, das vor ihr geistiges Auge getreten war. Es zeigte ihren von ihr wegei-lenden Vater.
Kapitel 42
Treir stellte das Tablett auf dem Tresen ab. »Hier, bitte«, sagte sie und deutete auf die kleinen, bräunlichen und mit dicker Fruchtgla-sur überzogenen Küchlein. »Skorrianische Beignets mit kaferiani-schem Apfelkompott.« Während Morn anerkennend auf sein Früh-stück sah, zog sie ein Besteckset sowie eine Stoff servierte unter der Theke hervor und legte sie daneben. Dann strich sie ihm über die Hand. »Und schling nicht wieder so«, tadelte sie scherzhaft. »Einer deiner Mägen ist doch bestimmt jetzt noch voll von dem maraltiani-schen Ale von gestern Abend.«
Morn rollte mit den Augen und nickte zustimmend.
Lächelnd ging Treir ans andere Ende der Theke und goss sich ein Glas Wasser ein. Der späte Vormittag, die Zeit zwischen dem Früh-stück und dem Mittagessen, war meist die ruhigste Phase im Quark’s, doch heute hatte sich das geändert. Die Kunde von Hetiks Anwesenheit musste sich schneller auf der Station verbreitet haben als symbalenisches Blutfieber. Ein Dutzend Personen – die meisten weiblich – belagerte gerade den Dabo -Tisch, was in doppelter Hinsicht bemerkenswert war, hatte die Bar in den letzten Wochen doch nicht einmal in den Abendstunden so viele Zocker gleichzeitig angezogen. In den kommenden Tagen, davon war Treir überzeugt, wür-de die Zahl noch steigen.
»Dreizehn gilt, dreizehn gilt«, hörte sie Hetik das Ergebnis des vergangenen Spiels verkünden.
»Bastion?«, grölte jemand. Wenn am Dabo -Tisch Betrieb herrschte, war er schnell der lauteste Ort im Lokal. Vielleicht sogar auf der ganzen Station.
»Bedaure, keine Bastion«, erwiderte Hetik, und seine Kundschaft ließ ein kollektives – wenn auch durchaus angetanes – Stöhnen hö-
ren. Sie mochten vielleicht verlieren, aber sie hatten Spaß dabei.
Auch das verhieß Gutes für die Zukunft. Das Geräusch klimpernden Latinums hallte durch den Schankraum, als Hetik die Einsätze für die Bar kassierte.
Eine Frau am Ende der Theke winkte Treir zu. Sie war groß, hatte raue, graue Haut, einen schmalen Hals und beeindruckend strahlende Augen – eine Melkotianerin. Treir nahm ihre Bestellung entgegen und beugte sich vor, um die erforderliche Flasche zu finden, als sie Quark im Eingang des Lokals erblickte. Zu ihrer Überraschung sah er zum Dabo -Tisch und wirkte erfreut. Dann lächelte er ihr zu.
Treir beeilte sich, der Melkotianerin ihren Drink zu bringen. Als sie fertig war, hatte Quark die Theke bereits erreicht. »All das wegen Hetik?«, fragte er und nickte in Richtung des Dabo -Tisches. Seine Verblüffung schien nur noch von seiner Freude übertroffen zu werden.
Treir lächelte und hob die Schultern. »Was glauben Sie?« Dann ließ sie ihre Fingerspitzen über seinen kahlen Schädel gleiten. »Also, haben Sie unseren Vertrag bezüglich der kleinen Hetik-Abmachung vorbereitet?«
»Vertrag? Vergessen Sie’s.« Quark winkte ab, als wolle er den Gedanken verscheuchen.
»Sind Sie sicher?«, hakte Treir nach, denn sie wollte mehr als nur seine Akzeptanz. »Immerhin habe ich ihm bereits gesagt, dass er nur sechs Tage bleiben kann.« Das war eine Lüge. Quark sollte ruhig zugeben, wie wertvoll sie für ihn war.
» Was haben Sie?«, fuhr er sie an, das Lächeln mit einem Mal verschwunden.
Treir legte grazil den Arm auf die Theke und ihren verlockenden Oberkörper daneben. Den Kopf auf den Bizeps gestützt, blickte sie zu ihm auf. »Ist das ein Problem? Nachdem Sie
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