Zwielicht
erinnerte er sich der Erleichterung, mit der er vor Wochen die Kunde von ihrem Aufbruch vernommen hatte. Damals war Zhavey mit der Mjolnir nach Bajor gereist, und als er wenige Tage später hörte, ihr andorianisches Diplo-matenschiff Kree-thai habe ebenfalls die Station verlassen, hatte er angenommen, sie käme nicht nach DS9 zurück. Bis sie vor zwei Tagen mit der Gryphon hier erschienen war. Seit einigen Stunden war sogar die Kree-thai wieder da. Vermutlich reiste sie bald mit ihr weiter, nach Andor oder zum Föderationsrat auf der Erde. Ihre Einladung zum Abendessen hatte ihn nicht überrascht; trotz vollen Terminkalenders wollte sie sich von ihm verabschieden. Und so sehr er ihr in manchen Dingen auch widersprach, liebte er seine Zhavey und hoffte, dass sie im Guten auseinandergehen würden.
Er hatte die Luftschleuse gerade erreicht, da kam Lieutenant Candlewood des Weges. »Feierabend, Ensign?«, rief der Computer-spezialist mit dem dunkelbraunen, lockigen Haar und der Adlerna-se.
»Ja, Sir«, antwortete Shar und wartete, bis der Lieutenant zu ihm aufgeschlossen hatte. Gemeinsam traten sie durch die Schleuse.
Just bevor sie die Schwelle erreichten, die Schiff und Station voneinander trennte, strich Candlewood mit der Hand über die Wand.
»Glauben Sie, sie ist so weit?«, fragte er.
»Ja, Sir, absolut«, antwortete Shar.
Am Ende der Luftschleuse betätigte Candlewood die Konsole und öffnete das Schott. Gemeinsam betraten sie den Andockring, während sich die Schleuse hinter ihnen schloss. Ein Sicherheitsmann der Sternenflotte nickte ihnen zu. Shar kannte ihn, erinnerte sich allerdings nicht an den Namen. Candlewood und er stiegen in den Turbolift, und Shar wartete mit seiner Zielangabe, bis der Lieutenant seine genannt hatte.
»Und heute Abend wird entspannt?«, fragte Candlewood lä-
chelnd. »Oder haben Sie eine wilde Nacht geplant, bevor wir für ein Vierteljahr verschwinden?« Die Frage schien als Scherz gemeint zu sein, doch der Witz entging Shar. Er antwortete auf die einzige Weise, die er kannte: ernst.
»Mein Abend wird … eine Herausforderung, Sir«, sagte er und dachte an die bevorstehenden Stunden mit Zhavey . Der Lift hielt an, und die Türen öffneten sich.
Im Gehen sah Candlewood über die Schulter und lächelte, als habe er Shars Aussage anders interpretiert. »Na, seien Sie morgen bloß fit, Ensign! Die Mission wird lang.«
»Ja, Sir«, entgegnete Shar. »Ich freue mich darauf.«
Shar stand vor der Tür ihres Quartiers und suchte nach einem Grund, zu gehen. Ihm fielen mehrere ein, doch sie reichten nicht. Er ahnte, was die nächsten Stunden – sofern er überhaupt so lange durchhielt – bringen würden. Allerdings würde er Zhavey lange nicht sehen, von daher fühlte er sich verpflichtet, ihr noch einmal die Liebe und den Respekt zu zeigen, die er für sie empfand. Er versprach sich selbst, aufmerksam zu sein, ohne ihren Argumenten zu verfallen, und sie nicht mit altklug wirkenden Kommentaren abzu-fertigen, wie er es bei ihren letzten Begegnungen getan hatte. Sein Lebensweg war eine Kette bewusster Entscheidungen, über die Shar oft nachdachte – aber an diesem Abend würde sein Ohr ganz Zhavey gehören. Überhaupt: Seine nahe Zukunft stand doch fest, und eine Rückkehr nach Andor kam darin nicht vor. Dennoch wollte er Zhavey zeigen, dass er sie nicht nur ihrer Verwandtschaft wegen achtete, sondern auch weil sie eine weise, starke zhen war.
Er atmete tief ein und hustete, als die kühle, abgestandene Luft seinen Rachen erreichte. Zumindest würde er den Abend in einer körperlich angenehmeren Atmosphäre verbringen. Shar hob die Hand zur Konsole neben der Tür und zögerte. Erst jetzt bemerkte er, dass er immer noch das Padd von der Defiant bei sich trug. Kurz erwog er, es in sein Quartier zu bringen, erkannte in dem Gedanken aber schnell den Versuch eines weiteren Vorwands, das Unvermeidbare aufzuschieben. Eine seiner Antennen juckte, und als er sich kratzte, und seine Hand durch sein dichtes Haar glitt, musste er mit einem Mal an Thriss denken. An ihre gertenschlanke Gestalt, ihr wunderschönes Gesicht, ihr langes, glattes Haar … Dann rief er sich zur Ordnung. Wenn er nicht bald hineinging, würde er Zhaveys Arbeit auch ohne sie erledigen.
Shar drückte auf die Konsole, und nahezu sofort glitt die Tür zur Seite. Charivretha stand am anderen Ende des Zimmers, zwischen dem Fenster und dem Durchgang zum Schlafgemach.
»Komm rein, Thirishar«, sagte sie mit einem Lächeln,
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