Zwielicht
antwortete, hob er die Brauen. »Verzeihen Sie, Colonel. Was sagten Sie?«
»Ich wollte nur wissen, ob Sie die Defiant für Ihre Mission benötigen«, sagte sie in sachlichem Ton. »Denn wenn nicht, können Sie sie gern hierlassen.« Sein Gesicht verriet ihr, dass er den Scherz oder dessen Ursache nicht nachvollziehen konnte. Was sie für Geistesab-wesenheit gehalten hatte, begann, ihr Sorgen zu machen. »Commander, sind Sie in Ordnung?«
»Oh«, sagte er, als käme er aus einer Trance. Dann sah er an sich hinab und schien zu begreifen, worauf sie angespielt hatte. »Vergeben Sie mir, Colonel, ich bin wohl ein wenig … aufgeregt.« Er trat zu einem der Stühle vor ihrem Tisch und setzte sich.
»Ist mir nicht entgangen«, erwiderte sie. »Kein Grund für Entschuldigungen. Ich habe Sie nur noch nie so gesehen.«
»Um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, ob ich je zuvor so war .«
Vaughn lächelte leicht nervös. Es ließ ihn fast jugendlich wirken.
»Wie kommt das?«, hakte sie nach. »Haben Sie Vorbehalte bezüglich des Flugs in den Gamma-Quadranten? Odo versprach, dass sich das Dominion friedlicher Forschung nicht in den Weg stellt.«
»Nein, nein, keine Vorbehalte«, antwortete Vaughn. »Und das Dominion macht mir keine Sorgen.« Er hielt inne und strich sich gedankenverloren durch den Bart. Sein nachdenklicher Gesichtsausdruck erinnerte Kira an den Tag, als sie ihn im bajoranischen Tempel auf dem Promenadendeck getroffen hatte. Damals hatte er ihr gestanden, warum er ihr Erster Offizier werden wollte – ein Entschluss, der auf eine Drehkörpererfahrung zurückging. Kira wartete schweigend ab, bis er sich ihr wieder zuwandte. »Ich wollte das hier schon lange«, sagte er. »Seit ich ein Junge war.«
»Ein Junge?«, wiederholte sie überrascht. In den Wochen seit seinem Dienstantritt auf Deep Space 9 hatte sie ihn als einen Mann kennengelernt, der Dinge erledigt bekam und jedes gesetzte Ziel erreichte. Seinen Worten entnahm sie jedoch, dass er zeitlebens einen unerfüllten Forscherdrang empfunden hatte, und das kam ihr ungewöhnlich vor.
»Ja«, antwortete er und legte seine Unterarme auf den Tisch. »Als ich klein war, nahm mich meine Mutter hin und wieder in die Wildnis mit. Sie machte ein Feuer, und wir saßen da, unterhielten uns und hatten es warm.«
Bilder erschienen vor Kiras geistigem Auge: sie, ihre zwei Brüder und ihr Vater am Feuer – entweder im Singha-Flüchtlingslager oder im freien Land, auf der Flucht vor den Cardassianern. Trotz der Schrecken der Besatzung erinnerte sie sich gern an diese Familien-momente.
»Ich weiß noch«, fuhr Vaughn fort, »wie ich in meinen Schlafsack kroch, wenn das Feuer heruntergebrannt war. Je stärker sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, desto mehr Sterne konnte ich sehen.« Obwohl Vaughn ihr unmittelbar gegenübersaß, hatte Kira den Eindruck, er sehe nicht sie, sondern direkt in die Vergangenheit.
»Wenn das Universum wirklich unendlich ist, so dachte ich in jenen Momenten, müsste es da draußen alles geben, was man sich nur vorstellen kann.«
»Ich entsinne mich, als Kind dasselbe gedacht zu haben«, sagte Kira und verkniff sich den Zusatz, dass sich ihre Vorstellungen zu der Zeit auf ein Bajor beschränkt hatten, in dem ihre Mutter nicht getötet worden war und ihre Brüder und ihr Vater nicht Hunger litten. Ein Bajor ohne Cardassianer.
Vaughns Lächeln und das Leuchten in seinen Augen zeigten ihr, dass er ihren Stimmungswandel nicht bemerkt hatte. Als er weitersprach, ließ Kira die dunklen Erinnerungen ziehen und konzentrierte sich auf die Wunder eines unendlichen Universums. Vaughn schien ihre Gedanken in Worte zu fassen: »Ich dachte, dass da draußen wundersame Dinge jenseits meiner Vorstellungskraft existierten.
Dieses Geheimnis – das Versprechen nicht nur des Unerwarteten, sondern des Unvorstellbaren – erfüllte mich als Kind mit dem Wunsch, Forscher zu sein.«
»Was ist passiert?«, fragte Kira.
Vaughn antwortete nicht sofort, und sie wusste nicht, ob er nur im Geiste die Ereignisse wiederholte oder sich fragte, ob er überhaupt darüber sprechen wollte. »Seitdem ist vieles passiert, Colonel«, sagte er schließlich. »Sie wissen zweifellos selbst, wie das Leben so spielt.
Mit uns allen.« Kira konnte nur schweigend nicken.
Eine Weile saßen sie still da. Dann sah Kira zum Chronometer auf ihrem Tischmonitor. »Commander, Ihnen bleiben noch neunzig Minuten, bis Sie offiziell zum Forscher werden.«
Vaughn nahm seine Arme vom
Weitere Kostenlose Bücher