Zwielicht in Cordoba
wie wild flatternde andere heranpirschte. Gorax stürzte sich auf den Hund, also nahm ich mir das Federviech zum Ziel. Wir stießen zusammen, verloren unseren Halt auf den Amphoren, was ein häßliches, tönernes Krachen unter unseren Füßen zur Folge hatte. Der Exgladiator war durch eine Amphore gebrochen und stand knöcheltief in Tonscherben. Als er versuchte, sein Bein herauszuziehen, krachte es erneut, und er versank bis zum Knie, während das Öl nach allen Seiten spritzte. Um sein Gleichgewicht wiederzufinden, griff er nach mir.
»Oh, gehen Sie sanft mit mir um!«
Wohl kaum! Ich erhaschte einen kurzen Blick in seinen Schlund, als er einen wilden Schrei ausstieß. Selbst seine Mandeln waren beängstigend. Ich dachte, er würde mir die Nase abbeißen, aber in diesem Moment erhob sich eine kultivierte Stimme über das Getöse. »Laß das, Gorax! Du verscheuchst mir die Fische!«
Gehorsam ließ Gorax mich los und zog sein mit Blut und Öl verschmiertes Bein aus der zerstörten Amphore. Dann setzte er sich auf den Rand des Lastkahns und bettete das tote Federviech auf sein massiges Knie, während ihm die Tränen über die Wangen liefen.
»Danke!« sagte ich leise zu dem Neuankömmling. Ich schnappte Nux am Nackenfell und bewegte mich vorsichtig zur Flußseite des Lastkahns, wo ein dünner Mann, der ein Floß mit einer Stange vorwärts stakte, seinen Kopf über den Decksrand gereckt hatte, um zu sehen, was los war. Ich hockte mich nieder und reichte ihm die Hand. »Mein Name ist Falco.«
»Cyzacus«, sagte er.
Es gelang mir, nicht ausfallend zu werden. »Sie sind aber nicht der Mann, dem ich unter diesem Namen in Rom vorgestellt wurde!«
»Sie müssen meinen Vater meinen.«
»Apollo! Sie sind der Dichter?«
»Der bin ich!« erwiderte er ziemlich gereizt.
»Tut mit leid. Ich dachte, Sie wären von daheim durchgebrannt.«
»Bin ich auch«, sagte Cyzacus junior und stakte sein Floß mit großem Geschick zum Kai.
»Sie staken ganz schön flott für einen Mann der Literatur.« Den Hund unter dem Arm geklemmt, war ich wieder auf den Kai geklettert. Nachdem Cyzacus sein Floß vertäut hatte, reichte ich ihm die Hand und half ihm, auf den Anlegesteg zu springen.
Er hatte einen schlanken Körper und nur noch wenige Haarbüschel auf dem Kopf; hinter sein Ohr war tatsächlich ein Stilus geklemmt. Vielleicht war das Angeln nur eine Tarnung für das Verfassen eines zehnbändigen offiziellen Epos’ zur Verherrlichung Roms. (Oder vielleicht war er genau so ein Verrückter wie mein Onkel Fabius, der exakte Notizen über jeden Fisch macht, den er fängt – Datum, Gewicht, Farbe, Tageszeit, Wetter und den Köder, den er benutzt hat …) Cyzacus junior sah in der Tat wie ein Poet aus, düster und zerstreut, vermutlich ohne jedes Gespür für Geld und hoffnungslos bei Frauen. Sein Alter schätzte ich auf etwa vierzig – genau wie das seines Adoptivbruders Gorax. Zwischen den beiden herrschte offensichtlich keine Animosität, denn Cyzacus ging den großen Klotz trösten, der schließlich mit den Schultern zuckte, die tote Henne in den Fluß warf, mit der noch lebenden wieder auf den Kai kam und sie zärtlich kraulte, als sie wegzufliegen versuchte. Er besaß ein simples Gemüt, aber eine schnelle Auffassungsgabe; genau das Richtige für die Arena und wahrscheinlich ebenso nützlich, um mit Großhändlern fertig zu werden, die Stauraum auf dem Lastkahn mieten wollten.
»Er organisiert die Ladungen«, erklärte mir Cyzacus. »Ich führe die Bücher.«
»Natürlich, denn ein Dichter kann ja schreiben!«
»Kein Grund, ausfallend zu werden.«
»Ich bin nur fasziniert. Sie waren in Rom?«
»Und ich kam zurück«, sagte er kurz angebunden. »Es gelang mir nicht, einen Mäzen zu finden. Niemand kam zu meinen öffentlichen Lesungen, und meine Schriftrollen verkauften sich nicht.« Seine Stimme war von einer tiefen Bitterkeit erfüllt. Es war ihm offenbar nicht in den Sinn gekommen, daß der Wunsch allein noch keinen berühmten Dichter aus einem machte und er vielleicht ein schlechter war.
Ich hatte nicht vor, ihn darauf aufmerksam zu machen, nicht, während Gorax neben ihm stand, voller Stolz auf seinen kreativen Geschäftspartner. Der Bruder eines Exgladiators hat ein Anrecht auf Respekt. Die beiden waren etwa gleich groß, obwohl der Stämmige fast dreimal so viel Raum einnahm wie der andere. Sie sahen völlig unterschiedlich aus, aber ich spürte sofort, daß es zwischen ihnen festere Bindungen gab als zwischen den
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