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Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Schock war, daß mir der Sklave am Eingang zur Begrüßung einen Becher ausgezeichneten Rotwein aus Barcino reichte. Der Abend war Baetica gewidmet, der reichen, heißen Schatzkammer im südlichen Spanien. Ich persönlich finde die Weine aus dieser Provinz seltsam enttäuschend: weiß und dünn. Aber offenbar waren die Leute aus Baetica vernünftig. Kaum verließen sie ihre Heimat, tranken sie Tarraconenser – den berühmten Laeitana aus dem Nordwesten von Barcino, von den Hängen der Pyrenäen, wo der Wein in den langen, heißen Sommermonaten reift, es im Winter aber genügend Regen gibt.
    Ich selbst war nie in Barcino, hatte weder eine Ahnung, was Barcino für mich bereithielt, noch war ich daran interessiert, es herauszufinden. Wer braucht schon die düsteren Prophezeiungen von Wahrsagern? Das Leben hält auch so genug Unannehmlichkeiten bereit.
    Dankbar nippte ich an dem lieblich schmeckenden Wein. Ich war als Gast eines Ministerialbeamten namens Claudius Laeta hier, war ihm hinein gefolgt und tappte höflich in seinem Troß mit, während ich mir klarzuwerden versuchte, was ich eigentlich von ihm hielt. Sein Alter war schwer zu schätzen, irgendwo zwischen vierzig und sechzig. Er hatte volles Haar (eine stumpfe, braune Matte, kurz, gerade, nicht sonderlich aufregend geschnitten). Sein Körper war durchtrainiert, seine Augen scharf, sein Verhalten wachsam. Er trug eine weitgeschnittene Tunika mit schmaler Goldborte unter der schlichten weißen Toga des Palastbeamten. An seiner Hand blitzte der breite Goldring der Ritterschaft, was bewies, daß irgendein Kaiser viel von ihm hielt. Mehr, als die Obrigkeit von mir zu halten schien.
    Ich hatte ihn während einer offiziellen Untersuchung für Vespasian kennengelernt, unseren bärbeißigen, rigorosen neuen Kaiser. Laeta war mir wie die Art aalglatter Sekretär vorgekommen, ein Meister in der Kunst, tüchtig zu wirken, während er die Drecksarbeit Leuten wie mir überließ. Jetzt hatte er sich meiner angenommen – nicht, daß ich es darauf angelegt hätte, aber ich betrachtete ihn als einen möglichen Verbündeten gegen jene im Palast, die sich meinem gesellschaftlichen Aufstieg widersetzten. Ich würde ihn noch nicht mal mein Pferd halten lassen, während ich mich bückte, um mir die Schnürsenkel zuzubinden, aber das galt für alle Beamten. Er wollte etwas von mir; ich wartete darauf, daß er mir sagte, was es war.
    Laeta hatte es ganz bis nach oben geschafft: Ein kaiserlicher Exsklave, geboren und ausgebildet im Palast der Cäsaren von den kultivierten, gebildeten, skrupellosen Orientalen, die lange das Römische Reich verwaltet hatten. Heutzutage bildeten sie einen diskreten Zirkel hinter den Kulissen, aber ich nahm nicht an, daß sich an ihren Methoden viel geändert hatte seit der Zeit, als sie noch offen auftraten. Laeta selbst mußte es irgendwie geschafft haben, Nero zu überleben, hatte offenbar den Kopf tief genug gehalten, um nicht als Neros Mann zu gelten, als Vespasian die Macht übernahm. Jetzt trug er den Titel Obersekretär, aber es war deutlich zu erkennen, daß er mehr sein wollte als nur derjenige, der dem Kaiser die Schriftrollen reichte. Er war ehrgeizig und suchte nach einem Bereich, in dem er sich voll entfalten konnte. Ob er größere Bestechungssummen annahm, mußte ich erst noch herausfinden. Er schien ein Mann zu sein, der seine Stellung und ihre Möglichkeiten zu sehr genoß, um sich mit sowas abzugeben. Ein Organisator. Ein Mann langfristiger Pläne. Das Reich war bankrott und schwer angeschlagen, aber unter Vespasian herrschte eine neue Stimmung von Aufbruch und Wiederaufbau. Palastbeamte konnten sich Geltung verschaffen und wurden anerkannt.
    Ich wünschte, das könnte ich auch von mir sagen.
     
    »Der heutige Abend sollte sich als nützlich für Sie erweisen, Falco«, meinte Laeta, als wir im alten Palast eine Reihe nur noch wenig benutzter Räume betraten. Meine Gastgeber bewiesen einen seltsamen Geschmack bei der Wahl ihres Treffpunktes. Vielleicht hatten sie die spinnwebverhangenen kaiserlichen Kellergewölbe billig mieten können. Der Kaiser würde gern seine persönlichen Repräsentationsräume vermieten, um an ein paar Nebeneinnahmen zu kommen.
    Wir befanden uns tief unter dem Palatin, in staubigen Sälen mit düsterer Geschichte, wo Tiberius und Caligula einst rebellische Männer gefoltert und legendäre Orgien gefeiert hatten. Ich fragte mich, ob es wohl immer noch geheime Gruppen gab, die diese Ereignisse nachstellten. Dann

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