Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zwielicht in Cordoba

Titel: Zwielicht in Cordoba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
endlos davon zu erzählen, wie miserabel die Geschäftsleitung ist und wie drakonisch ihre eigene Fron. Für dieses verkommene Subjekt hier war das Leben eine einzige Folge von Ferientagen, und er gedachte nicht, sich zu beschweren.
    »Wann haben Sie Cyzacus das letzte Mal hier am Kai gesehen?«
    »Keine Ahnung, Legat.«
    »Und wenn ich zum Beispiel eine große Schiffsladung nach Hispalis verfrachten wollte, dann würde ich mich nicht an ihn wenden?«
    »Sie könnten es versuchen. Es würde Ihnen nur nichts nützen.«
    Ich merkte, wie Helena allmählich die Geduld verlor. Marmarides, der die Agententätigkeit bisher als harte Arbeit mit interessanten Höhepunkten verklärt hatte, ließ offen erkennen, wie gelangweilt er war. Ein Ermittler zu sein ist schon schwer genug, ohne daß alle um einen herum nach permanenter Aufregung und ängstlich stammelnden Verdächtigen verlangen.
    »Wer führt das Geschäft?« wiederholte ich.
    Das Schlitzohr sog an den Zähnen. »Auf jeden Fall nicht Cyzacus. Der ist inzwischen so gut wie im Ruhestand. Er ist bloß noch so was wie ein Aushängeschild.«
    »Aber jemand muß die Rechnungen abzeichnen. Hat Cyzacus einen Sohn?« wollte ich wissen, eingedenk der anderen, in die Verschwörung verwickelten Männer.
    Der Mann mit dem Weinkrug brach in Gelächter aus und fühlte sich dann genötigt, einen kräftigen Schluck zu nehmen. Halsstarrig und widerspenstig war er schon. Bald würde er halsstarrig, widerspenstig und betrunken sein.
    Als sein Lachanfall vorüber war, erzählte er mir die Geschichte: Cyzacus und sein Sohn hatten sich zerstritten. Das hätte ich mir eigentlich denken können. Schließlich hatte ich mich auch mit meinem Vater zerstritten. Dieser Sohn hier war von zu Hause fortgelaufen – das einzig Seltsame war nur, was er dann anstellte. Spanien lieferte die besten Gladiatoren des Reiches. In den meisten Städten träumen die Jungs davon, ihre Eltern damit zu vergrätzen, daß sie in der Arena kämpfen, aber vielleicht gilt das in Spanien ja als genau die für sie vorgesehene Karriere, gegen die sie sich auflehnen. Wie auch immer, als Cyzacus junior den großen Streit mit Papa hatte und dann mit nichts als einer sauberen Tunika und dem Ersparten seiner Mutter von zu Hause durchbrannte, war er fortgelaufen, um Dichter zu werden.
    »Nun ja, Spanien hat eine Menge Dichter hervorgebracht«, sagte Helena leise.
    »Damit wollen Sie mich doch nur weiter ablenken«, schnauzte ich den Wachmann an. »Jetzt hören Sie mal zu, Sie kleiner Stinker: Ich will keine tragische Ode, ich will den Mann, der hier das Sagen hat.«
    Er wußte, daß das Spiel aus war. Das sah er mir deutlich an. »Na schön. Nichts für ungut …«, murrte er und erzählte mir dann, daß Cyzacus nach der Enttäuschung über die Flucht seines Sohnes in die Poesie jemand Passenderen adoptiert hatte: jemand, der Gladiator gewesen war und somit nichts beweisen mußte. »Jetzt hat er Gorax.«
    »Dann rede ich eben mit Gorax.«
    »Oh, das würde ich Ihnen nicht empfehlen, Legat!«
    Ich fragte ihn, was das Problem sei, und er deutete auf den stämmigen Mann, den wir schon vorhin beim Bauen des Hühnerhauses gesehen hatten. Gorax hatte wegen seiner Hühner keine Zeit für Besucher.
    Helena Justina hatte nun endgültig die Nase voll und sagte, sie würde in die Stadt gehen und ihren Purpurstoff abholen. Marmarides begleitete sie zurück zur Kutsche, wenn auch widerstrebend, da ihm der Name Gorax durchaus etwas sagte: Gorax war einst sogar bis hin nach Malaca berühmt gewesen, hatte sich aber dann aus der Arena zurückgezogen.
    Da ich einer Herausforderung grundsätzlich nicht aus dem Weg gehe, sagte ich, Hühner oder keine, er würde mit mir reden müssen.
     
    Ich näherte mich ihm leise, wobei mir bereits Bedenken kamen. Er war mit Narben bedeckt. Was ihm an Größe fehlte, machte er durch Breite und Körpergewicht wett. Seine Bewegungen waren sanft, und er zeigte kein Mißtrauen gegenüber Fremden: wenn ihn einer schief anguckte, würde Gorax ihn einfach um einen Baum wickeln. Gorax mußte ein Gladiator gewesen sein, der wußte, was er tat. Das war der Grund, warum er nach zwanzig Kämpfen in der Arena immer noch am Leben war.
    Es war deutlich zu sehen, daß der stämmige Kerl richtig Spaß daran hatte, seinen Hühnern ein Haus zu bauen. Der Wächter hatte mir erzählt, daß Gorax eine Freundin hatte, die weiter stromabwärts bei Hispalis wohnte. Sie hatte ihm das Geflügel geschenkt, damit er während seiner

Weitere Kostenlose Bücher