Zwielicht in Cordoba
hier war offenbar der örtliche Magistrat zuständig. Staatssklaven besserten sie von Zeit zu Zeit notdürftig aus. Wir schienen zu einem Zeitpunkt zu reisen, wo der Arbeitstrupp längst überfällig war.
»Aelianus muß auch klar gewesen sein«, fuhr ich fort, als die Kutsche zu ruckeln aufhörte, »daß ich mich als erstes – egal, ob schriftlich von Rom aus oder persönlich vor Ort – im Büro des Prokonsuls nach dem Absender des Briefs erkundigen würde. Ich hoffe sogar, daß ich die ganze Sache mit dem Prokonsul selbst durchsprechen kann.«
»Ich hab ihn mir vorgeknöpft«, sagte Helena. Sie meinte immer noch Aelianus. Ihr Bruder tat mir leid. Helena Justina hätte eine fabelhafte Ermittlerin abgegeben, wäre es für eine ehrbare Frau nicht unmöglich gewesen, sich frei mit Menschen außerhalb ihrer Familie zu unterhalten oder mit neugierigen Fragen an die Türen von Fremden zu klopfen. Aber ich verspürte immer leichtes Unbehagen, wenn sie die Initiative ergriff. Was sie natürlich wußte. »Keine Bange. Ich hab mich zurückgehalten. Er ist mein Bruder, also war er nicht erstaunt, daß ich ihn zur Rede stellte.«
Wenn er ihr etwas Wichtiges mitgeteilt hätte, dann wäre es mir nicht verborgen geblieben. Daher grinste ich sie nur an. Helena klammerte sich an den Kutschenrahmen, als wir plötzlich mit einem gewaltigen Satz vorwärts schossen. Ich stemmte schützend meinen Arm vor sie.
Nur weil Aelianus ihr Bruder war, hieß das noch lange nicht, daß ich vorhatte, ihm zu trauen.
Helena drückte meine Hand. »Justinus wird ihn weiter unter Druck setzen.«
Das hörte ich gern. Ich kannte ihren jüngeren Bruder von einer meiner Auslandsreisen. Justinus wirkte zwar unreif, aber wenn er nicht gerade unpassende Frauen anhimmelte, war er gerissen und hartnäckig. Ich hatte großes Zutrauen zu seiner Urteilskraft (außer bei Frauen). Nur gab es da ein Problem: sollte Justinus etwas herausfinden, so würden wir es angesichts des unzuverlässigen Postverkehrs nach Spanien wohl nicht erfahren. Helena und ich wären wahrscheinlich längst wieder zu Hause, bevor der Brief überhaupt eintraf. Ich war hier draußen auf mich selbst gestellt. Noch nicht mal Laeta konnte mit mir Kontakt aufnehmen.
Helena wechselte das Thema und witzelte: »Ich hoffe, daß es uns auf dieser Reise nicht so geht wie in Syrien. Es war schon schlimm genug, Leichen kopfüber in Zisternen zu finden; mir graust bei dem Gedanken, guterhaltene aus großen Olivenölfässern zu fischen.«
»Widerlich!« grinste ich.
»Und glitschig.«
»Mach dir keine Sorgen, das wird nicht passieren.«
»Du warst schon immer viel zu optimistisch!«
»Ich weiß, wovon ich rede. Dafür ist nicht die richtige Jahreszeit. Die Ernte beginnt im September mit den grünen Oliven und endet im Januar mit den schwarzen. Im April und Mai stehen die Ölmühlen still, und alle sind damit beschäftigt, Unkraut zu jäten, Dünger aus den Preßrückständen vom vergangenen Jahr um die Bäume zu verteilen und sie zu beschneiden. Wir werden nur blühende Bäume zu sehen bekommen, unter deren Blüten sich die winzigen Fruchtknospen verbergen.«
»Oh, du hast dich schlau gemacht!« höhnte Helena. Ihre spöttischen Augen blitzten. »Typisch für uns, in der falschen Jahreszeit hierher zu kommen.«
Auch ich lachte – obwohl es genau die richtige Zeit für manch andere Dinge war. Im Frühling erforderte die sonst so arbeitsintensive Pflege der Olivenbäume am wenigsten Zeit. Ein guter Zeitpunkt für ihre Besitzer, eine Verschwörung zu planen.
Je mehr wir uns den ausgedehnten Olivenöl-Gütern südlich des Flusses Baetis näherten, desto größer wurde mein Unbehagen.
XIX
Wenn die Besitzer unerwartet auf ihren luxuriösen Landgütern auftauchen, finden sie nach guter alter Tradition die Böden meist seit sechs Monaten unaufgewischt, die Ziegen unbeaufsichtigt in den Weinbergen beim Abknabbern frischer junger Trauben und die Stallburschen beim Herumwälzen mit ungewaschenen Frauen im Bett ihres Herrn. Manche Senatoren machen daher im nächstgelegenen Dorf für eine Woche Rast und schicken Nachricht über ihre unmittelbar bevorstehende Ankunft, damit die Spinnweben entfernt, die Flittchen nach Hause zu ihren Tantchen geschickt und das Vieh eingefangen werden kann. Andere sind weniger höflich. In der großspurigen Annahme, die mit einem syrischen Geldverleiher auf dem Forum abgeschlossene fünfprozentige Hypothek mache sie zu Latifundienbesitzern, tauchen sie zur Abendessenszeit
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