Zwielicht in Cordoba
Jagdhunde praktischerweise in Netze getrieben haben.«
»Und keine Frauen«, nickte Helena offenbar voller Mitgefühl.
Ich überging den Seitenhieb. »Zuviel Sauferei, zuviel Krach, halbgares, lauwarmes, fetttriefendes Fleisch, und dazu die ständigen Angebereien und dreckigen Witze.«
»O je! Und du, der feinsinnige, sensible Typ, der nichts anderes will, als den ganzen Tag in einer sauberen Tunika mit einer Schriftrolle epischer Poesie unter einem Dornbusch zu sitzen!«
»Du hast es erfaßt. Ein Olivenbaum auf dem Gut deines Vaters tut’s auch.«
»Nur Vergil und ein Stückchen Ziegenkäse?«
»Da wir uns nun einmal hier befinden, würde ich sagen, Lucan. Ein Dichter aus Corduba. Dazu natürlich noch dein süßes Haupt auf meinem Knie.«
Helena lächelte. Ich war froh, das zu sehen. Sie hatte angespannt ausgesehen, als ich sie in der Basilika fand, aber nach unserem Geplänkel war sie aufgetaut.
Wir sahen einen Pontifex oder Flamen, einen der Priester des Kaiserkultes, der ein Opfer auf einem im Forum aufgebauten Altar darbrachte. Er war ein beleibter Baeticaner mittleren Alters mit einem fröhlichen Gesichtsausdruck, bekleidet mit einer purpurnen Robe und einem spitzen, konischen Hut. Seine Helfer waren vermutlich befreite Sklaven, aber er selbst trug einen Ritterring und war ein angesehener Bürger. Vermutlich hatte er einen höheren Posten in der Armee innegehabt und vielleicht auch im örtlichen Magistrat, wirkte jedoch wie eine einfache fröhliche Seele, während er rasch ein paar Tierkehlen durchschnitt und dann eine stockende Prozession zur Parilia-Feier anführte, die der rituellen Reinigung von Vieh und Ställen gilt.
Wir standen respektvoll in der Kolonnade, während sich der Zug städtischer Würdenträger auf dem Weg zum Theater vorbeizwängte, wo die eigentlichen Festivitäten stattfinden sollten. Die Prozession wurde von einigen ängstlichen Schafen und einem munter hüpfenden Kalb begleitet, dem eindeutig niemand gesagt hatte, daß es das nächste Opfertier abgeben würde. Als Hirten verkleidete Männer trugen Besen zum symbolischen Auskehren der Ställe in der Hand, dazu Utensilien zum Entzünden reinigender Feuer. Zwei Staatssklaven, deutlich als Feuerwehrmänner zu erkennen, folgten ihnen erwartungsfreudig mit einem Wassereimer. Da die Parilia nicht nur irgendein archaisches Fest, sondern der Geburtstag von Rom ist, verbiß ich mir rasch den Schwall in mir aufsteigender patriotischer Gefühle (so kann man es auch nennen). Eine Verkörperung der Roma, bewaffnet mit Schild und Speer und einem Halbmond auf ihrem Helm, schwankte gefährlich auf einem Tragestuhl vorbei. Helena wandte sich halb ab und murmelte sarkastisch: »Roma Resurgans sitzt ziemlich wackelig auf ihrem Thron!«
»Zeig ein bißchen mehr Respekt, Strahlauge.«
Eine offizielle Statue des Kaisers kam vor uns ins Wanken und wäre beinahe umgekippt. Diesmal schwieg Helena gehorsam, warf mir aber einen so aufmüpfigen Blick zu, daß ich, während das schwankende Abbild Vespasians von seinen Trägern wieder ins Gleichgewicht gebracht wurde, einen Hustenanfall vortäuschen mußte. Helena Justina hatte nie die perfekte Schönheit einer Skulptur besessen, aber in fröhlicher Stimmung war sie bis in das leiseste Flattern ihrer Wimpern hinein (die für mich sowieso die schönsten im ganzen Römischen Reich waren) voller Leben. Sie besaß einen Sinn für boshaften Humor. Zu sehen, wie sich eine ehrbare Römerin über das Establishment lustig machte, deprimierte mich stets. Ich warf ihr einen Luftkuß zu und schaute trübsinnig. Helena ignorierte mich und fand ein anderes Tableau, über das sie kichern konnte.
Als ich ihrer Blickrichtung folgte, entdeckte ich ein bekanntes Gesicht. Einer der hochmögenden Bürger Cordubas wich den Hirten aus, die sich mit einem widerspenstigen Schaf abmühten. Ich erkannte ihn sofort, ließ mir aber durch eine rasche Frage von jemandem aus der Menge seinen Namen bestätigen: Annaeus Maximus. Einer der beiden bedeutenden Ölhersteller vom Festmahl auf dem Palatin.
»Einer dieser aufgeblasenen Würdenträger steht auf meiner Verdächtigenliste. Das hier scheint mir eine gute Gelegenheit zu sein, mit ihm zu sprechen …«
Ich wollte Helena überreden, an einem der Imbißstände auf mich zu warten. Sie reagierte mit einem Schweigen, das mir deutlich machte, ich hätte zwei Wahlmöglichkeiten: sie entweder hier allein zu lassen und zu erleben, daß sie für immer aus meinem Leben verschwand
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